Evangelische Landeskirche in Bayern zeichnet fünf Initiativen mit dem Ehrenamtspreis aus
„In drei Tagen sind wir komplett ausgebucht“, erklärt Heinrich Horlebein. Dann haben sich 105 Kinder zwischen acht und 13 Jahren zum Zeltlager am Untermain angemeldet. Mit gut zwei Dutzend Engagierten verbringen sie die zweite Woche der Pfingstferien zusammen – teils schon in der dritten Generation. Denn seit 50 Jahren besteht das „Evangelische Zeltlagerteam Untermain“ in der Region Miltenberg.
Genauso lange ist auch Heinrich Horlebein aus Eschau mit dabei: Der 72-Jährige hob das Projekt mit einigen Mitstreitern und Mitstreiterinnen wie Delia Kappes aus dem benachbarten Kleinheubach aus der Taufe. Inzwischen ist auch Horlebeins Sohn ein erfahrener Helfer und seine Enkel begeisterte Zelter. Und der Name Kappes taucht im aktuellen Helferteam immer wieder auf – wenn auch Delia nun eher im Hintergrund tätig ist.
Zum Jubiläum haben sie nun den Sonderpreis der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern für ihr langjähriges ehrenamtliches Engagement erhalten. Die Verleihung an die Zeltlager-Initiative und vier weitere erfolgreiche Ehrenamtsprojekte findet dann am Ehrenamtstag, 12. Oktober, in Augsburg statt. Überreicht wird der Preis, der selbst in sein 14. Jahr geht, vom Fachbeirat Ehrenamt, vom Präsidium der Landessynode und Oberkirchenrat Stefan Blumtritt. Damit würdigt die Landeskirche hervorragend ehrenamtliche Projekte. Die Ansbacher St. Gumbertus-Stiftung unterstützt dies mit zwei Preisgeldern, die für jede ausgezeichnete Initiative bei tausend Euro liegen. Zusätzlich erhalten die Gewinner ein professionelles Video für ihre Öffentlichkeitsarbeit oder eine Teammaßnahme (etwa zum Coaching oder als Teammaßnahme). Gerade Engagement, das über kirchliche Horizonte hinauswirkt, ist in diesem Jahr preiswürdig.
Das Zeltlagerteam ist nicht nur in den Pfingstferien aktiv. Es gestaltet auch die Verpflegung bei ihrerseits fast traditionellen Zeltwochenenden für Konfirmierte im Juni oder kümmert sich um das leibliche Wohl bei Großveranstaltungen oder Ferienspielaktionen in der ganzen Region.
Denn sie haben längst nicht nur eine Gulaschkanone für die Zeltlager, sondern können auch ausreichend Pommes oder Lasagne für die rund 130 Personen des Lagers in den Pfingstferien kochen. Für immer noch 90 Euro die Woche mit Vollverpflegung und Getränken (nur gekühlte Limo oder Apfelschorle kostet extra) können sie ihr Zeltlager anbieten. Zelte und Ausrüstung müssen die Kinder selbst mitbringen. Packlisten aufgrund der jahrzehntelangen Erfahrung finden sich auf der Homepage der Initiative. Zwischendurch gab es aufgrund der großen Nachfrage bereits die Überlegung, sich eine zweite Kochgarnitur anzuschaffen. Aber um sie auszulasten, würde das Zeltlager viel größer. Das erschien den Organisatoren doch als zu unpersönlich. Es wird auch sehr viel gemeinsam unternommen.
Ebenfalls gibt es keine Nachwuchssorgen für das Helferteam. Ab 15 Jahren können ehemalige Teilnehmende als Junghelfer mitmachen, nachdem sie ein Jahr ausgesetzt haben.
Fisch fliegt über die Veste
Ebenso beliebt ist die „Kirche Kunterbunt“ in Coburg: 400 bis 600 Menschen sind jeweils bei den Erlebnisgottesdiensten dabei, die meist alle zwei Monate stattfinden – obwohl sie von 9.30 Uhr bis 13 Uhr gehen. Der Kirchenfisch verlässt dabei die Gotteshäuser und fliegt über die ganze Stadt, die Veste Coburg oder auch über eine Schäferei – all dies wird zum Feierraum.
Die Organisatoren rund um Bertram Unger engagieren sich dabei für „eine Kirche, in die auch Pippi Langstrumpf aus der Villa Kunterbunt gerne gehen würde“. Sie wollen alle Generationen, vor allem aber junge Familien, zu einem biblischen Thema aktivieren: überall wird zunächst gebastelt, experimentiert, gewerkelt oder Sport getrieben: Da ließ etwa ein Riesentrampolin „Freude“ erfahrbar werden. Die „Feierzeit“ kommt dem klassischen Gottesdienst am nächsten: mit Auslegungen und Musik für alle. Ein erfahrbarer Segen – durchaus mit Brausepulver oder Konfetti sinnlich erfahrbar gemacht – steht am Ende.
Gegen Mittag steht ein gemeinsames kostenfreies Essen an, um Gastfreundschaft generationenübergreifend erfahrbar zu machen. Alles trage sich durch Spenden, weitere Fördermittel sowie durch das „MUT-Projekt“ mit einer halben Stelle. Gut 60 Ehrenamtliche treffen sich in Teams – etwa für die Küche, Kreativaktionen oder die Konzerttechnik. Die Teamleiter koordinieren sich effizient. Ein Gesamttreffen via Zoom sei nur einmal vor dem Gottesdienst nötig, so Unger.
Während Corona entstand das Konzept, zunächst als „Kirche Kunterbunt to go“ und in digitaler Form. In Rallyes durch die Stadt konnten Familien „mit Abstand“ Gottes Wort erleben. Nun gibt es neben den Erlebnisgottesdiensten wöchentliche Angebote für die Kleinen, für Kinder bis zwölf Jahren sowie halbjährliche Abende für junge Erwachsene.
Mehrere Kirchengemeinden, die evangelische Gesamtkirchengemeinde Coburg, sowie der CVJM sind an Bord. Sie arbeiten auch gut mit der katholischen Seite und der Stadt zusammen, ergänzt Unger.
Bausteine für Jesus
Sehr konzentriert wiederum geht es bei Treffen von etwa einem Dutzend Drittklässlern in der evangelischen Kirchengemeinde Westheim/Eschenau südlich von Haßfurt zu. Die Kinder bauten im Rahmen des ersten Teils ihres zweiphasigen Konfi-Unterrichts in der 3. und in der 8. Klasse einen Kreuzweg aus Legosteinen. Dazu orientieren sie sich zuvor über die Inhalte der Szenen aus der Passions- und Ostergeschichte: Auch ihr Weg geht über die Kirchen hinaus und verbindet beide Gemeindeteile zwischen den Gotteshäusern.
Organisiert hat dieses Projekt Kirchenvorsteherin Vera Braun. Seit zwölf Jahren engagiert sie sich im Familien-Gottesdienst-Team. Es gibt eine neue Ausrichtung der Kirchengemeinde auf die Familienarbeit, und dafür ist Braun seit Januar als Ansprechpartnerin angestellt.
Für sie sind die unverwüstlichen Lego-Steine ein wichtiges biblisches Symbol. So schaffte sie Tausende der Steinchen heran – viele als Spenden oder teils gebraucht im Internet bestellt – und sortierte sie. Die Grundfarbe im Garten Gethsemane etwa ist natürlich grün. Die jungen Architekten planen selbst ihre Bauten – denn zu ihren Ideen ist kein fertiger Bausatz da. Eine Engelsfigur finde sich nicht im Sortiment, schließlich sei Lego religiös neutral. Es gab auch keinen Esel. So war nicht nur dort Kreativität gefragt.
Entstanden sind sieben detailreiche Bauten – trotz der unterschiedlichen Teams „wie aus einem Guss“, die in Glaskäste ausgestellt sind. Gut 7.000 Legosteine sind dazu insgesamt auf Platten von 50 mal 50 Zentimetern Grundfläche verbaut.
Es war aber auch vielfältiges Engagement von Ehrenamtlichen im Hintergrund nötig – etwa um die Szenen an ihren Bestimmungsort zu bringen, aufzustellen und dort sauber zu halten. Unterlegt mit Lese- und Hörtexten und altersgerechte Quizspiele zu den Geschichten, ist der Stationenweg ein besonderes Erlebnis für alle. Vera Braun führt dabei Ideen des Haßfurter Vereins „Bibelwelten“ fort, in dem sie Mitglied ist. Weitere Geschichten wie die Sturmstillung sollen folgen.
Offenheit beim Kaffee
Ein verbindender Treffpunkt mit zentraler Anbindung für ehrenamtliche Initiativen und Gruppen vor Ort ist aus dem alten Bahnhof Penzberg bei München geworden. Doch einmal im Monat öffnet er an einem Mittwochnachmittag seine Pforten weit für alle: Dann laden Kirchenvorsteherin Alexandra Link-Lichius und der pensionierte Diakon Fritz Hauenstein zu einem offenen Café ein. Es wird Kaffee und Kuchen gereicht, doch es treten auch Musizierende aus der Region auf. Weiter gibt es Reiseberichte zu hören oder Vorträge zu Themen „aus dem aktuellen Weltgeschehen“. Damit tritt ihr „Café Ab und Zu(g)“ in die Fußstapfen des Gemeindenachmittags. Doch das Café spricht durch den offenen Ort viel mehr Menschen auch außerhalb der Kirchengemeinde an – es geht so direkt zu den Menschen.
Mindestens 30 Menschen folgen der Einladung – öfter aber auch doppelt so viele, gerade in der Faschingszeit oder wenn volkstümliche Musik ansteht. Dafür sind jeweils gut zwei Tage Arbeit für das Vorbereitungsteam nötig, zu dem auch drei Jugendliche gehören. Am vergangenen Heiligabend lud das Team zu einem gemeinsamen offenen Weihnachtsabend ein – es kamen mehr Gäste als erwartet und blieben bis spät in die Nacht zusammen. Es experimentiert mit Abendveranstaltungen. Ein Nebenraum bietet Raum für kleinere Ausstellungen etwa von Künstlern vor Ort.
Ebenfalls sehr offen aufgestellt ist der fünfte Preisträger, das „Bunte Haus“ in Miesbach südlich von München. Das Team öffnete die Gemeinderäume als ein offenes Begegnungszentrum für die ganze Stadt. Die Corona-Zeit habe für sie zusätzliche Denk- und Planungsräume eröffnet, so Martin Reents, einer der ehrenamtlichen Koordinatoren. Alle Gruppen und Initiativen vor Ort können sich dort treffen.
Tatsächlich stammen inzwischen noch rund ein Viertel der mehr als tausend Veranstaltungen und Treffen aus der klassischen Gemeindearbeit, schätzt Martin Reents. Auch die Caritas oder ein Kinderchor, den eine katholische Grundschullehrerin leitet, treffen sich bei ihnen. Nein, aber ökumenisch sind sie nicht ausgerichtet, „wir trennen nicht mehr“ nach Konfessionen oder überhaupt danach, ob jemand einer Kirche angehört. Insgesamt werden es in diesem Jahr 30.000 Besuche sein – bei einer Einwohnerzahl von 12.000.
Pfarrer Erwin Sergel trage das Projekt voll mit, doch ein Kernteam von gut zwei Dutzend ehrenamtlichen Gastgeberinnen und Gastgebern hält das Haus in der Woche tagsüber offen – hinzu kommen viele Abendveranstaltungen. Dazu gesellen sich zwei Quartiersmanagerinnen, die sich eine Stelle teilen und von der Fernsehlotterie bezahlt sind. Kernstück des Hauses ist das offene Foyer, in dem sich alle auch etwa nach der Chorprobe noch einmal zu einem Kaffee treffen können. Mögliche Konflikte seien Bereicherungen, so gleichen sie unterschiedliche Interessen aus, erklärt Reents.
Diese fünf ausgezeichneten Projekte sieht die Landeskirche beispielhaft für das Engagement von gut 130.000 Ehrenamtlichen. „Wir wurden ganz ähnlich vor ein paar Jahren auf Schwabach als Ehrenamtspreisträger aufmerksam und haben uns da einige Ideen abgeholt“, gibt Reents gerne zu – Nachahmung immer erwünscht.