Die weiteren Kirchen und ihre Zusammenarbeit in Estland
Neben den rund zwölf Prozent Protestanten bezeichnen sich rund 16 Prozent der Bevölkerung selbst als Angehörige der Orthodoxen Kirchen. Viele Russischstämmige (immer noch etwa ein Viertel der Bevölkerung) sehen dies wohl auch als Identitätsfrage. Wenige bezeichnen sich als Katholiken oder Angehörige der Freikirchen.
Zehn christliche Kirchen und Gemeinschaften sind im Ökumenischen „Rat Christlicher Kirchen Estlands“ zusammengeschlossen. Traditionell amtiere er als Erzbischof der Lutheraner als deren Oberhaupt, so Viilma. Man fühle sich als Christen im selben Boot gegenüber der weltlichen Bevölkerung von gut 70 Prozent, so Burghardt.
Die orthodoxen Christen gehören einerseits der Estnischen Apostolischen Orthodoxen Kirche an. Ihre Liturgiesprach ist Estnisch. Sie untersteht dem Patriarchat von Konstantinopel. Nach der ersten Unabhängigkeit 1920 lösten sich viele orthodoxen Gemeinden des Landes 1923 vom Moskauer Patriarchat. Doch es entstand keine national eigenständige Kirche dieser Richtung, sondern sie waren mit Konstantinopel eng verbunden.
Nach dem Ende der ersten Unabhängigkeit kamen sie 1944 wieder faktisch unter das Dach Moskaus – und seit 1996 erneut unter die Fittiche des Patriarchen von Konstantinopel. Dagegen protestierte schon damals Moskau.
Eine weitere Kirche, die Estnisch-Orthodoxen Kirche, ist mehr russisch geprägt. Sie gehört noch immer dem Moskauer Patriarchat an. Ihr Oberhaupt vor Ort, Metropolit Eugen, einem russischen Staatsbürger, wurde Anfang 2024 die Aufenthaltserlaubnis für Estland entzogen. Er habe nach dem russischen Überfall auf die Ukraine „den Aggressor unterstützt“ und „sein Verhalten trotz früherer Warnungen nicht geändert“, so Estlands Innenministerium. Er arbeitet von Russland aus. Eine Kirchenversammlung änderte im August ihr Statut, um ihre Selbstständigkeit gegenüber Moskau zu stärken.
Wie berichtet gibt es rund 5.000 Altgläubige oder Altorthodoxe. Sie verweigerten sich einer Reform Peters des Großen, die eine größere Einflussnahme der russischen Herrscher auf die Kirche begünstigte und flohen vor Verfolgungen in Randgebiete.
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