Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über die Herausforderungen des richtigen Handelns
Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
Micha 6,8
Es gibt Menschen, die faszinieren mich seit Kindesbeinen an. Albert Schweitzer gehört dazu. Er gab eine gesicherte Doppelkarriere in Theologie und Orgelmusik auf, um in Lambarene in Afrika, nach einem zusätzlichen Medizinstudium, den Kranken beizustehen. Er wollte jetzt seinen Mitmenschen „unmittelbar“, direkt helfen. „Ehrfurcht vor dem Leben“, mit diesen vier Worten ist sein Lebenswerk zusammengefasst. Der Friedensnobelpreisträger von 1952 meint damit: Der Mensch muss Ehrfurcht vor dem Leben haben. Vor seinem eigenen Leben. Aber auch vor allem Leben, das ihn umgibt. Der Mensch muss sagen: Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das auch leben will. Und dieses Leben erhalten und schützen ist gut. Aber Leben zerstören, Leben schädigen, entwickelbares Leben niederhalten, ist böse.
Ihm geht es dabei um Liebe, die Fähigkeit Freude und Leid miteinander zu teilen, einander beizustehen – das Leben zu teilen.
Der Prophet Micha bringt es ebenfalls auf den Punkt, worum es im Leben geht, was Gott in unserem Leben sehen will: nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor Gott.
Wie beim Urwalddoktor reagiert Micha auf die Fragen seiner Zeit.
Das Volk ist von Gottes gutem Weg abgewichen, zu merken an der schlechten politischen Lage des Landes. Die Wirtschaft ist in der Krise und Krieg droht. Die Versöhnung mit Gott soll inneren Streit und nach außen Krieg überwinden. Wie kann Versöhnung gelingen? Welche Opfer müssen gebracht werden? Die Antwort des Propheten ist klar und deutlich. Gott will keine Brandopfer oder sonst welche Gaben.
Stattdessen gibt Micha drei kurze Impulse. Zunächst erinnert er mich daran, die Quellen meines eigenes Glaubens immer wieder neu aufzusuchen.
Mit seinem zweiten Impuls rückt der Prophet die hohe Bedeutung der Nächstenliebe für das Zusammenleben in den Blick. Allein 28,8 Millionen Menschen in Deutschland setzen sich in ihrer Freizeit für das Miteinander in der Bundesrepublik ein. Sie haben den Mut zu dienen, einfach auf ihre Art Liebe zu üben!
Demütig sein, Michas dritter Impuls. Im Wort Demut stecken der Mut und der Dienst. Und beide lassen sich nicht voneinander trennen.
Arzt wie Prophet waren auf ihre Weise mutig und zum Handeln bereit. Demut bedeutet stets auch die Perspektive zu verändern. Sie lenkt den Blick auf Solidarität und Mitmenschlichkeit, notfalls gegen Widerstände.
„Mensch, was gut ist, es ist doch alles nicht so kompliziert und schwer!“ höre ich an diesem Sonntag. Vier Worte reichen: Ehrfurcht vor dem Leben!
Dekan Peter Bertram, Traunstein