
Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Raimund Kirch zum Gründonnerstag
Am Aschermittwoch, so war in den einschlägigen Medien zu lesen, hat ein Priester in Amiens (Nordfrankreich) sein ganz persönliches Aschenwunder erlebt. Zu Beginn der Fastenzeit wird den Gläubigen bei einem Wortgottesdienst eine Aschenkreuz auf die Stirn gezeichnet mit den Worten „Staub bist du, Mensch, und zum Staub kehrst du zurück.“
In den vorausgegangenen Jahren, so der Priester, sei die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger stets überschaubar gewesen. Diesmal aber kamen nach und nach mehr Leute in seine Kirche, die schließlich, was sonst nur an Weihnachten geschieht, proppenvoll gewesen sei. Vor allem junge Leute, die er bis dato nie gesehen hatte, waren gekommen. Nach dem Gottesdienst musste der junge Priester in die Kathedrale von Amiens, wo er dem Bischof bei der Austeilung des Aschenkreuzes assistieren sollte. Er kam gar nicht dazu, seine Geschichte zu erzählen, weil sich auch der riesige gotische Dom vor allem mit jungen Leuten füllte. Die banale und doch wunderliche Auflösung des Ganzen: Ein junge Influencerin hatte auf Tiktok wohl sehr überzeugend von der Kraft des Aschenkreuzes erzählt.
Warum ich das erwähne? Weil offensichtlich ein starkes Bedürfnis nach Ritualen vorhanden ist, für die wir wohl nicht mehr die richtigen Worte haben. Ich denke da an den Gründonnerstag in dieser Karwoche. Am Abend vor seinem Tod am Kreuz steht Jesus vom letzten Abendmahl mit seinen Jüngern auf, gießt Wasser in ein Becken und beginnt, ihnen die Füße zu waschen. So überliefert im Johannes.
Zunehmend mehr evangelische Kirchen erinnern an diesem 17. April an die Demutsgeste Jesu. Aber ist es nur das? Sicher nicht, meint auch die evangelische Theologin Hentschel, die über die Fußwaschung ihre Doktorarbeit geschrieben hat. Jesus macht sich gemein mit seinen Jüngerinnen und Jüngern; er bereitet ihnen etwas Gutes, das auch er selbst genossen hat als die Sünderin ihm mit teurem Öl die Füße salbte.
Vielleicht bräuchten wir auch für den Gründonnerstag eine Influencerin, die uns das mit neuen Worten das Ritual schmackhaft macht. Es ist der Blick auf die Schwestern und Brüder, die in der christlichen Gemeinschaft so leben und handeln sollen, wie es Christus vorgelebt hat. Ein solches Leben für die anderen kommt in der Fußwaschung, wie sie bei Johannes erzählt wird, pointiert zum Ausdruck. Meint auch Anni Hentschel.