Mitschwingen im Tanz der Auferstehung

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Schwungvoller Gekreuzigter in der Kapelle der Dankbarkeit in Maicha. Foto: Kraus
Schwungvoller Gekreuzigter in der Kapelle der Dankbarkeit in Maicha. Foto: Kraus

Der Würzburger Theologe Klaas Huizing denkt über den Durchbruch des Lebens nach (3)

Wie kann man in einer Welt voller Leid, Gewalt und Unsicherheit noch an Auferstehung glauben? Die traditionellen Bilder vom leeren Grab oder himmlischem Leben wirken auf viele Menschen heute fern und schwer greifbar. Der Würzburger Theologe Klaas Huizing schlägt eine andere Deutung vor: Er sieht Auferstehung als lebendige Erfahrung von „unendlicher Resonanz“. Wie lassen sich diese poetischen Worte theologisch füllen?

In der Physik beschreibt Resonanz ein Mitschwingen, das durch bestimmte Frequenzen ausgelöst wird. Psychologisch spricht man von „empathischer Resonanz“, wenn sich Menschen emotional aufeinander einstimmen. Der Soziologe Hartmut Rosa beschreibt Resonanz als intensive, lebendige Beziehung zur Welt – das Gegenteil von Gleichgültigkeit oder Entfremdung. 

Im religiösen Sinne könnte man also den Begriff als Mitschwingen mit dem Leben, mit der göttlichen Wirklichkeit verstehen. Wenn Huizing die Auferstehung als eine „unendliche Resonanz“ darstellt, beschreibt er damit ihre tiefe Verbindung zum Leben – berührt durch Frequenzen, die Jesus in Christen auslöst. Das ist mehr als ein traditionelles Glaubensbekenntnis. Es ist ein Schwingungsraum, der sich immer neu auftut, wenn Menschen sich berühren lassen – von Liebe und Hoffnung, Schmerz oder Schönheit.

Ein besonders ausdrucksstarkes Bild für diese Form von Auferstehung findet sich in dem Kirchenlied „Lord of the Dance“, das Sydney Carter bereits 1963 dichtete und das seitdem Jugendgottesdienste oder Kirchentage bereicherte: Darin heißt es aus der Perspektive Jesu: „They buried my body / And they thought I’d gone, / But I am the Dance, / and I still go on.“ Auf Deutsch: „Mein Leichnam im Grabe: Jetzt schien es vorbei, / aber ich bin der Tanz, / und das Tanzen, das sei.“ Jesus ist das Leben selbst, das nie untergeht. Das Ende des Liedes lautet: „I am the life / That’ll never, never die; / I’ll live in you / If you’ll live in me.“ („Ich bin das Leben / das niemals nie vergeht. / Ich werd‘ in dir leben / wenn du lebst in mir“).

Tanzende Helferin Gottes

Dieses Bild des tanzenden Christus greift eine uralte biblische Gestalt auf: Die Frau Weisheit, die schon vor der Schöpfung bei Gott war: „Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war. ls die Tiefe noch nicht war, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen.“ (Sprüche Salomos 8,23 f.). Und weiter: „Ich war seine Lust täglich und tanzte (oder „spielte“ – beide Übersetzungen sollen möglich sein) vor ihm allezeit … und hatte meine Lust an den Menschenkindern“ (Vers 30 f.).

Aber ist dies nicht eine späte, vielleicht randständige Deutung der Schöpfungserfahrung, während eine solche Tanzlust weder im ersten noch im zweiten Schöpfungsbericht anklingt (1. Mose 1 und 2)? Allerdings wird auch da keine Schöpfung aus dem Nichts beschrieben, sondern als Ordnungshandeln Gottes, der zunächst Licht und Finsternis, Erde und Meer voneinander scheidet, bevor etwas Belebtes entstehen kann. Nur ein Kapitel später erscheint Gott als Gärtner, der die Ödnis bewässert und den Garten Eden schafft. So gibt es im Alten Testament keine geschlossene Darstellung von Schöpfung, sondern mehrere Anläufe. 

Welchen Bezug hat die tanzende Frau Weisheit zu Gott? Lässt sie sich gar als Geist Gottes (im Hebräischen als „Ruach“ weiblich empfunden) verstehen oder als frühe Erscheinungsform des Gottessohnes? Dazu äußert sich der Traditionsstrang nicht weiter. – Vielleicht überliefert er da ein Fragment früher Überlieferungen, deren Anknüpfungspunkte verloren sind. Für Huizing ermöglichen diese Verse aber, „Schöpfung anders zu denken“, wie er im Rothenburger Wildbad erklärte. 

Der Beginn des Johannes-Evangeliums stellt dar, wie im Anfang Schöpfung durch das vernunftbetonte Wort Gottes (der hier verwendete Begriff „Logos“ ist bei Platon etwa die vernünftige Ordnungskraft, die den Kosmos lenkt) geschieht, das in Jesus Mensch wird und unter uns zeltete. Es ist nun männlich, die weibliche Sophia erscheint und tanzt nicht mehr.

Frau Weisheit regt bei Huizing jedoch die Kreativität Gottes an und wirkt als „Lehrbeauftragte“, um die Entwicklungsfähigkeit der Menschen anzuregen. Wie kann sie uns zur Erlösung führen – schon jetzt, mitten im Leben? Huizing geht es um eine Haltung der Andacht gegenüber der Schönheit und Ganzheit der Schöpfung. Wenn wir uns öffnen für die Atmosphäre des Lebendigen, kann Heilung geschehen: Wir sind erlöst.

Da bezieht sich Klaas Huizing auf Hermann Schmitz und dessen Vorstellung von „Resonanzoffenheit“die das Atmosphärische in sich aufnehmen kann. Das geschieht etwa in erhabenen Momenten der Natur, in der Weite eines Kirchenraumes, in der Tiefe einer Begegnung. Selbst der Rhythmus unseres Atems – zwischen Engung und Weitung – kann uns für solche Erfahrungen öffnen.

Diese spirituellen und poetischen Erfahrungen wirken auch auf Menschen, die nicht mehr Teil einer Kirche sind. Es geht Huizing mehr um die innere Ausrichtung der Menschen: Dankbarkeit statt Angst, Hoffnung statt Ohnmacht. Jesus erscheint bei Huizing nicht als Opferlamm oder Weltenrichter, sondern in dem poetischen Begriff „eingeleibte Liebesatmosphäre“. Es ist kein Lehrgebäude, sondern eine Haltung, die Menschen berührt und verwandelt. Wer sich auf diese Wellenlänge einlässt, findet neue Orientierung. Es wirkt wie Musik: Sie berührt uns und lässt uns mitschwingen. So bringt Jesus Heil, indem er uns in Bewegung setzt.

Neuer Schwung fürs Leben

Am Ende steht eine Einladung, auch im Refrain des Liedes „Lord of the dance“: Lass dich führen – vom Tanz des Lebens, vom Rhythmus des Auferstandenen („And I’ll lead you all, wherever you may be, And I’ll lead you all in the Dance, said he.“).

Auferstehung geschieht nicht erst nach dem Tod, sondern mitten im Leben mit seinem Leid und seinen Begrenzungen: Wenn wir nicht mehr in Routinen erstarren oder uns den Zuschreibungen anderer unterwerfen, sondern über uns hinauswachsen, dann finden wir Sinn und Hoffnung im Alltagsleben. Ich gewinne selbst einen neuen Blick auf mein Leben – und finde einen neuen Rhythmus in mir. Dann geschieht vielleicht das Wunder, über sich selbst hinaus zu wachsen und sich auch auf andere einzuschwingen, in lebendige Beziehungen zu treten.

=> Zum Artikel über den Sinn des Leidensweges Jesu

Huizing: Lebenslehre – Eine Theologie für das 21. Jahrhundert. 2022, ISBN 978-3-579-07467-2, 776 S., 38 Euro.

Ders.: Verzaubert leben. Eine Roadmap zum Heiligen. 2024, ISBN 978-3-579-08254-7, 208 Seiten, 22 Euro.