Zwischen Vertrauen und Widerstand

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Raimund Kirch, Mitglied im Herausgeberbeirat des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern. Hintergrundbild: Kraus
Raimund Kirch, Mitglied im Herausgeberbeirat des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern. Hintergrundbild: Kraus

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Raimund Kirch

„Da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns; da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns.“ Dieser Refrain des 1989 entstandenen Kirchenliedes „Wo Menschen sich vergessen“ wollte in den vergangenen Wochen nicht aus meinem Kopf weichen. Der 87-jährige Pfarrer Jürgen Hauskeller hat den Ohrwurm die drei Stropehn bei einem Versöhnungsgottesdienst in der Kirche St. Blasii in Zella angestimmt und damit die Teilnehmenden zu Tränen gerührt. 

Am Ende sangen alle diesen Refrain mit und Jürgen Hauskeller konnte dem anwesenden Regionalbischof Thomas Schüfer und dem Landesbischof für Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, die Hand reichen. Den beiden Bischöfen war es wichtig, sich bei Jürgen Hauskeller zu entschuldigen, der zu DDR-Zeiten von der Stasi gepiesackt und – schlimmer noch – von seiner eigenen evangelischen Kirchenleitung in Stich gelassen worden war. 

Grund: Hauskeller hatte im thüringischen Zella-Mehlis Anfang der 70er Jahre attraktive Jugendgottesdienste mit Rockmusik und offenem Abendmahl gefeiert. Bis zu 500 Jugendliche waren mitunter gekommen, was die DDR-Behörden alarmieren musste. Jugendarbeit war Parteisache. Und die  Kirchenleitung? Sie gab klein bei und drängte den Pfarrer, sich anderswohin zu bewerben. Der fügte sich notgedrungen, setzte aber seine Arbeit mit Jugendlichen bei Sonderhausen fort. Die Stasi schickte Spitzel, die Behörden verboten endlich die Gottesdienste. Hauskeller hörte nicht damit auf und verweigerte das auferlegte Bußgeld. 

Das wiederum bezahlte die willfährige Kirchenleitung, zog den Betrag allerdings widerrechtlich vom ohnehin schmalen Gehalt des Pfarrers ab. Nach der Wende zeigte sich in den Stasiakten, dass seine Vorgesetzten als Informelle Mitarbeiter (IM) mit an seinem Stuhl gesägt hatten. 

Damit aber nicht genug. Auch nach 1989 wurde er zunächst nicht rehabilitiert. Der Kirchenleitung wurde mehr Glauben als ihm geschenkt. Als er seine drei aus Afrika angenommenen Kinder taufen lassen wollte, verwies man ihn an
einen anderen Ort als die Kirche in seiner Heimatgemeinde. Erst nach über 50 Jahren, einen Tag vor seinem 88. Geburtstag wurde ihm endlich Gerechtigkeit zuteil. Wie heißt es so schön? Gottes Mühlen mahlen langsam. In diesem Fall besonders lang.