Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über die Erfahrungen Hiobs von Chefredakteurin Susanne Borée
Hiob antwortete: Ach, dass ich wüsste, wie ich Gott finden und zu seiner Stätte kommen könnte! So würde ich ihm das Recht darlegen und vernehmen, was er mir sagen würde. Würde er mit großer Macht mit mir rechten? Nein, er selbst würde achthaben auf mich. Aber gehe ich nach Osten, so ist er nicht da; gehe ich nach Westen, so spüre ich ihn nicht. Er aber kennt meinen Weg gut. Denn ich hielt meinen Fuß auf seiner Bahn und bewahrte seinen Weg und wich nicht ab und übertrat nicht das Gebot seiner Lippen. Doch er hat’s beschlossen, wer will ihm wehren? Und er macht’s, wie er will. Ja, er wird vollenden, was mir bestimmt ist, und hat noch mehr derart im Sinn. Darum erschrecke ich vor seinem Angesicht. Gott ist’s, der mein Herz mutlos gemacht hat; denn nicht der Finsternis wegen muss ich schweigen, und nicht, weil Dunkel mein Angesicht deckt.
Aus Hiob 23
Hiob fragt beharrlich weiter. Und dies, obwohl seine Freunde schon ganz genau den Grund seines Leidens kennen: Irgendwo, zumindest unbewusst muss er Schuld auf sich geladen haben! Bereits die Propheten wettern ja ständig, dass Leiden und Verbannung die Konsequenz aus gottlosem Tun sind.
Doch so klug sie auch reden – sie helfen dem Freund gerade nicht in seiner Not. Aus dem Anfang der Geschichte wissen wir: Hiob kann wirklich nichts für sein Leid. Der Satan will zeigen, dass er nur deshalb fromm ist, weil es ihm gut geht.
Hiob ringt weiter mit diesem Gott, der sich ihm völlig ins Dunkle entzieht. Da erscheint er wie ein Gegenpol zu Jakob, der ähnlich verbissen mit einer dunklen Gestalt kämpft, die mit dem Morgenlicht verschwinden will. Jakob fordert zuvor mal wieder seinen Segen ein (1. Mose 32,27). Den hatte er im familiären Rahmen schon durch Betrug erhalten.
Der Rücksichtslose ist erfolgreich – das kennen wir nur allzu gut. Spiegelbildlich führt das Hiobsbuch jeden Zusammenhang zwischen eigenem Tun und Ergehen ins Absurde.
Sein Schweigen am Ende dieser Episode ist aber keineswegs ein Einverständnis, dass er sich dieser Willkür beugt. Er denkt neu nach, während die Freunde weiter quatschen. So wird diese Episode in der Mitte des Buches zum Wendepunkt.
Hiob will vor allem sein Leid verstehen. Ist es eine Läuterung – ein Feuer, das Metall aus Erz schmilzt? Auch dieses starke Bild lässt sich missbrauchen, um Opfer zu vertrösten oder Untätigkeit zu rechtfertigen. Es ist auch nicht das letzte Wort: Endlich antwortet Gott, doch will er wenig auf Hiob „achthaben“, sondern rechtfertigt seine Macht.
Auch für uns scheint die Welt aus den Fugen – und Gott aus ihr verschwunden zu sein: Klimakrise, Kriege und Ungerechtigkeit folgen so schnell aufeinander! Selbst wenn wir verantwortungsvoll leben wollen, verstricken wir uns in die Folgen unseres Handelns. Und diejenigen, die am wenigsten für die Erderwärmunge können – Menschen in wenig entwickelten Ländern und die nachfolgenden Generationen – müssen die meisten Auswirkungen tragen.
Wie ungerecht, dass Gott dem Jakob viel eher begegnet! Trotz des neuen Namens bleibt dieser der Logik seines alten Besitzdenkens treu. Zur Versöhnung mit Esau will er dem Bruder einen Teil seiner Habe anbieten. Esau lehnt ab: „Ich habe genug. Behalte, was du hast“ (1. Mose 33,9). Wer sagt das heute noch?
Hiob wird von Gott doppelt entschädigt. Oder ist dies alles ein Seitenhieb auf übliches Besitzdenken? Dagegen zählt Beharrlichkeit – auch wenn Gott uns verlassen zu haben scheint, was selbst Jesus am Kreuz so erfuhr. Nur so lässt Gott sich – vielleicht – finden.
Susanne Borée, Chefredakteurin des Ev. Sonntagsblattes und Religionspädagogin