Nicht müde werden

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zur Geduld Gottes gegenüber den Menschen

So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, dazu alles wilde Getier, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. Noah aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht …

1. Mose 8,18–22

Und täglich grüßt das Murmeltier“. Dieses Sprichwort kommt mir in der letzten Zeit häufiger über die Lippen. Jeden Tag die neuen schrecklichen Nachrichten. Kriege, Krisen und Lügen, die Demokratien zerstören wollen. Es ist zum Verzweifeln. Wie die Hauptperson des gleichnamigen Hollywoodklassikers fühle ich mich manchmal in einer Zeitschleife gefangen.

„Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Am Ende der Sintflut, als Noah und seine Familie und alle Tiere die Arche bereits verlassen haben, sagt das Gott so.

Für mich klingt es fast ein wenig resigniert, aber durchaus realistisch. Ein zorniger Gott, der die Menschen und Tiere wegen ihres Verhaltens abstraft, begegnet mir. Aber auch ein Gott, der seine Meinung ändert. Nie mehr soll das Schreckliche passieren, nie mehr die Erde untergehen. Und als sichtbares Zeichen dieser Zusage lässt er die bunten Farben des Regenbogens über der Erde leuchten. 

Angesichts von „täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert mich dieses himmlische Hoffnungszeichen an eine Gedichtzeile der verstorbenen jüdischen Dichterin Hilde Domin: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.“

Müde werden ist eine Versuchung. „Mir reichts.“ „Es lohnt sich nicht.“ „Es ändert sich ja doch nichts.“ Die Dichterin rät dagegen die Hand ausstrecken, sie dem Wunder entgegenhalten. Und hoffen, zumindest offen dafür bleiben, dass der Vogel kommt und sich auf meine Hand setzt. Ich habe jeden Tag neu die Chance, etwas aus meinem Leben zu machen. Im Vertrauen auf Gott. Er hält zu mir und wird nicht müde. 

Dekan Peter Bertram, Traunstein

Gebet:

„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es für Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.“

(Dietrich Bonhoeffer)