Zwischen Umbruch und Verantwortung

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Landesbischof Kopp und Missbrauchsbeauftragte Frohmader vor der Synode. Fotos: epd/M
Landesbischof Kopp und Missbrauchsbeauftragte Frohmader vor der Synode. Fotos: epd/M

Landessynode berät über weitgehenden kirchlichen Wandel für die nächsten zehn Jahre

Amberg. Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht: Von Seiten des Landeskirchenrates und der Leitung der Evangelischen Kirche in Bayern sowie von Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch, wie sich Kirche den Herausforderungen des Wandels im kommenden Jahrzehnt stellen wird. Zu Beginn der letzten Tagung der Landessynode in dieser Sitzungsperiode stellten sie ihre detaillierten Konzepte vor.

Ausgangspunkt sind die sinkenden Zahlen: bei den Mitgliedern, den Kirchensteuereinnahmen sowie auch bei der Anzahl der Hauptamtlichen – gerade der Pfarrpersonen. Dabei rechnet der bayerische Finanzchef Patrick de La Lanne für das Jahr 2026 noch mit Erträgen von rund 967 Millionen Euro und Aufwendungen von etwa 958 Millionen Euro. Überschüsse sollten gerade dem Klimafonds der Kirche sowie einer Stiftung für den Erhalt denkmalgeschützter Kirchen zugute kommen. Dies könnten auch Privatpersonen unterstützen.

Doch der Herr über die kirchlichen Finanzen hatte im Vorfeld vor einer beschleunigten Abwärtsspirale gewarnt (vgl. letzte Sonntagsblatt-Ausgabe): Denn rund 770 Millionen Euro der geplanten Einnahmen für 2026 stammen aus der Kirchensteuer: Sie bleibt noch stabil, soll dann aber ab bis 2035 um 40 Prozent  zurückgehen. Größter Ausgabeposten bleibt mit 627 Millionen Euro der Gemeinde-Pfarrdienst.

Wandel „atemberaubend“

Die Kirche in zehn Jahren werde ein deutlich neues Gesicht tragen, stellte der Personalreferent der bayerischen evangelischen Landeskirche, Stefan Reimers, schon direkt zu Synodenbeginn klar. Denn die Veränderungen gingen in „atemberaubendem“ Tempo vor sich, so Reimers. Er stellte zu Synodenbeginn die Landesstellenplanung bis 2034 vor. Darin wird mit einem Viertel weniger Hauptamtlichen gerechnet. Nur Kirchenmusik und Dekansämter seien davon ausgenommen.

Die Arbeit in „multiprofessionellen Teams“ in den Regionen solle gestärkt werden, ergänzte Reimers. Die Wegweisung dazu soll noch in einem „Vorbeschluss“ von dieser Synode erfolgen. Konkrete Details des Landesstellenplans soll dann die neu gewählte Synode nächstes Jahr beschließen: Sie soll ab Januar 2027 gelten und bis spätestens 2034 in allen Dekanaten umgesetzt sein. 

In jeder Region soll ein mindestens fünfköpfiges Team aus ordinierten Pfarrpersonen sowie den nicht-ordinierten Berufsgruppen zusammenarbeiten. Pfarrstellen können dabei unter Umständen auch von Nicht-Ordinierten übernommen werden. Ferner steht noch ein neuer Nordkirchenkreis „Franken“ zur Diskussion.

Da die Landessynode aber nicht nur in die Zukunft blickt, sondern auch alte Lasten im Blick hat, nahm der Umgang mit sexualisierter Gewalt einen breiten Raum ein. Ab dem 1. Januar 2026 setzt die Landeskirche „die Vorgaben aus der EKD-Richtlinie eins zu eins um“, sagte Martina Frohmader, Leiterin der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt. Damit entfällt die Deckelung der Anerkennungsleistungen. Künftig umfassen sie eine Pauschale von 15.000 Euro plus eine individuelle Zahlung ohne Obergrenze. Seit 2015 wurden für 102 Anträge knapp 2,5 Millionen Euro ausgezahlt, eine Rücklage von 3,3 Millionen Euro ist bereit gestellt. 

Beim Präventionsgesetz von 2020 bleibt die Umsetzung aber hinter den Erwartungen zurück: Nur 475 der rund 1.500 Gemeinden verfügen über Schutzkonzepte; mit den übrigen sollen verbindliche Zeitpläne entwickelt werden.

Dabei richtet die Landeskirche ihren Blick verstärkt auf geistlichen Missbrauch. Bis 2027 soll ein Präventionsleitfaden vorliegen. Maßstab kirchlichen Handelns müsse stets die „Lebensdienlichkeit“ bleiben.

Hoffnungsvoller Bischof

Er sei voller Hoffnung, dass eine Evangelische Landeskirche in Bayern bestehen bleibe „bis der Herr wiederkommt“, ergänzte Landesbischof Christian Kopp vor der Presse. Und er blickte in seinem Bischofsbericht ausdrücklich über die eigenen Horizonte hinaus. Kopp forderte einen „Pakt gegen Armut“, da in Bayern 70.000 junge Menschen Bürgergeld bezögen und fast 200.000 von Armut oder Ausgrenzung bedroht seien. 15 Prozent der jungen Erwachsenen hätten keinen Bildungsabschluss – ein alarmierendes Zeichen für die soziale Stabilität. Die Kirche werde sich für diese Menschen einsetzen. 

Ebenso hob Kopp die Friedensarbeit hervor. Er regte an, Kirchen im Advent 24 Stunden geöffnet zu halten – als Orte des Lichts für Menschen, die im Dunkeln leben. Außerdem werde das Beratungsnetzwerk für Gewissensfragen zum Wehrdienst wieder aufgebaut. Zugleich bekannte sich der Bischof klar: Die Kirche sei „parteiisch für die Demokratie“ und trete für die Menschenwürde ein. Man unterstütze gerade jetzt im Vorfeld der Kommunalwahlen demokratische Kandidierende.

Zuvor hatte er in seinem Bischofsbericht ebenfalls die Veränderungen in den Blick genommen. Bis 2035 werde die Landeskirche wohl nur noch 1,2 bis 1,5 Millionen Mitglieder zählen – ein Rückgang um rund 40 Prozent im Vergleich zu 2024. Man wolle daher die kirchliche Arbeit nach ihrer Wirksamkeit vor Ort betrachten, eine wirkungsorientierte Finanzplanung vorlegen und klarer machen, „was noch machbar ist und was leider nicht mehr geht“, so Kopp.

Dennoch rief er zu Hoffnung auf: „Gott gibt uns Kraft für die großen Veränderungen, in denen wir stehen“, stellte Kopp fest. Es sei die Aufgabe der Christinnen und Christen in Bayern, dem Licht und der Kraft Gottes Raum zu geben. Eine neue Sichtweise soll nach der Wirkung der Arbeit fragen.

In „Regionalräumen“ sollen eben die multiprofessionellen Teams arbeiten, Immobilienfragen gebündelt und Verwaltungen vereinheitlicht werden. Doch Gemeinden sollen ausdrücklich bestehen bleiben, wie er auf Nachfrage präzisierte.

Etwa gegen die Idee der „multiprofessionellen Teams“ regt sich Widerstand. Ein Positionspapier von Nicht-Ordinierten, die schon jetzt auf Pfarrstellen eingesetzt sind, haben fast 1.900 Unterstützende unterschrieben. Zudem fordert die Gruppe mehr Gehalt für Nicht-Ordinierte auf Pfarrstellen, weil sie dort auch klassische Pfarrersaufgaben übernähmen. Die Bedingungen der multiprofessionellen Teams sorgen für Diskussionen – nicht die Idee als solche, stellte Preidel als eine der Adressatinnen in einer ersten Reaktion klar. Dies zeigt aber auch, dass manche Ideen der Kirchenleitung noch diskutiert werden. Bis zum Redaktionsschluss gab es noch keine Abstimmung der Synode über die dargelegten Konzepte.

„Wir schaffen Rahmenbedingungen“, ergänzte Vize-Synodalpräsident Hans Stiegler. Manches müsse wohl noch präzisiert werden. Doch auch er wolle den Gemeinden „die Angst nehmen, dass alles in den Bach runtergeht“ – evangelische Verkündigung in Bayern werde weiter gelebt.