Nachösterliche Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch. (…) Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, auf dass euer Glaube bewährt und viel kostbarer befunden werde als vergängliches Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus.
Aus 1. Petrus 1,3–7
Manchmal friert das Leben ein. Freeze-Modus – nichts bewegt sich, alles steht still – obwohl man spürt: Es müsste doch weitergehen. Man starrt auf Krankheit, Abschiede, Schuld oder alten Groll und fragt sich, wann endlich jemand „Play“ drückt. So eine „kleine Zeit“, wie Petrus sie nennt, kann gefühlt ewig dauern. Und „mancherlei Anfechtung“ kühlt jede Lebensglut herunter.
Da spricht Petrus – der mit allen Wassern gewaschene Fischer, der behauene Fels mit den Schwielen an den Händen und der vom Leben angerauten Seele – in einer Sprache, die wirkt wie eine Sonneneruption. Wer von Petrus weiß, erkennt sofort: Das ist keine fromme Floskel. Kein Trostsatz für traurige Stunden. Nein! Das ist Dynamit. Sprengkraft für das Erstarrte. Ist Feuer auf dem Eis.
Wiedergeburt – ein starkes Wort! Es ist viel mehr als eine zweite Chance! Nicht: „Jetzt wird alles gut“. Sondern: „Jetzt wird alles neu.“
Nicht einfach ein Update der alten Version. Kein Aufpolieren. Keine Schönheitskorrektur. Sondern: völlige Verwandlung. Von Grund auf.
Manche vergleichen Wiedergeburt mit einem Apfelbaum. Der Winter hat ihn kahl gemacht, die Äste knorrig. Man meint, er sei tot. Und dann – ohne sichtbare Vorarbeit – brechen Knospen auf. Hellgrüne Versprechen! Aber: Der Baum war nie tot. Nur in Wartestellung.
Deswegen spricht Petrus nicht von so einem Erwachen, sondern vom Durchbruch ins Neue. Lebendige Hoffnung ist nicht dasselbe wie zyklischer Trost. Sie ist mehr als „Frühling nach Winter“. Sie ist Auferstehung nach Tod. Und das ist kein Naturprozess, sondern ein göttlicher Bruch mit allem Bisherigen – gegen jede Natur.
Auferstehung ist kein Zurück auf Anfang. Nein, es ist ein unbegreifliches Vorwärts – hinein in das, was kein Auge gesehen hat. Diese lebendige Hoffnung hat nur ein Vorbild, nur einen Präzedenzfall: Jesus. Sein Weg durch Dunkel, Zweifel, Leiden und Tod – und durch das Grab hindurch – ist das Fundament dieser Hoffnung. Alles andere bleibt metaphorisch, und damit trügerisch.
Nicht unsere Stärke, nicht unsere Tugenden, nicht unser Durchhaltevermögen machen Hoffnung lebendig. Sondern: die Kraft Gottes. Die Stärke des Einen, der durchhielt, wo jeder andere scheitert. Der nicht bloß überlebte – sondern wirklich litt und starb und das Letzte auf den vorletzten Platz verwies. Er schuf etwas neu.
Das Gegenteil von lebendiger Hoffnung ist nicht Dunkelheit. Es ist Grau. Grau, in dem man sich eingerichtet hat. In dem man Blumen an rostige Metallkreuze hängt – weil es wenigstens ein bisschen trostreich aussieht. Aber das ist trügerische Hoffnung. Lebendige Hoffnung will nicht trösten, tätscheln, schweigend nicken. Lebendige Hoffnung will neu machen – auferwecken.
Und deshalb sprengt sie die Sprache. Sie lässt sich nicht leicht bebildern. Sie ist beispiellos – weil das Neue, das Christus gebracht hat, noch nie so war. Kein Vergleich reicht ganz hin. Kein Gleichnis tief genug. Vielleicht muss das so sein. Vielleicht ist genau das das Zeichen echter Hoffnung: Dass sie uns sprachlos macht – und trotzdem sprechen lässt. Tastend, staunend, tanzend …
Lebendige Hoffnung bedeutet: Keiner ist allein – im Letzten Alleinsein. Da ist einer, der schon hindurchgegangen ist. Und er ruft uns. Nicht zurück – sondern nach vorn. Ins Neue. Ins Licht. Ins Leben.
Pfarrer Dr. Norbert Roth, München