Aus vereinten Wurzeln den Aufbruch wagen

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Partnerschaftsbesuch vom Kilimandscharo ins Taubertal will alte Kontakte neu vertiefen

„Wir wollen die Partnerschaft nach gut 40 Jahren in die neue Generation tragen“, erklärt Klaus Eberius. Er ist nicht nur Pfarrer in Schillingsfürst, sondern auch Partnerschaftsbeauftragter des Dekanats Rothenburg mit dem Dekanat Hai in Tansania. Direkt an den Hängen des Kilimandscharo gelegen, umfasst Hai inzwischen 49 Gemeinden mit mehr als 100.000 Mitgliedern. Der damalige Rothenburger Dekan Johannes Rau und seine afrikanischen Partner legten 1982 das Fundament für diese Beziehung zwischen zwei Kirchen auf zwei Kontinenten.

Ab Mitte September soll diese Verbindung eine neue Tiefe bekommen: Sechs junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren reisen aus Tansania ins Taubertal – drei Frauen und drei Männer, je zur Hälfte aus dem Dekanat Hai und vom Berufsschulzentrum „Hai Vocational Training Center“ (VTC) der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias (ELCT). 

Untergebracht sind sie bei Familien in Schillingsfürst und Gebsattel. Viele Begegnungen in Gemeinden und gerade mit der Evangelischen Jugend erwarten sie. Daneben erhalten die Gäste durch ein Wochenpraktikum einen Einblick in die deutsche Arbeitswelt – vom Seniorenheim Elisenstift bis zur Elektrofirma.

Das Neue meistern

Eine gute Ausbildung ist für sie besonders wichtig: Tansania entwickelt sich gerade sehr stark; gleichzeitig sind sehr viele Jugendliche in der Region Hai arbeitslos. Umso wichtiger ist das Berufsausbildungszentrum („Hai Vocational Training Center – VTC) der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias (ELCT). Es bildet auch im Internatsbetrieb Jugendliche zu Elektrikern und Schreinern, im Hotelmanagement und der Hauswirtschaft aus. Auch die Klempnerei gewinnt an Bedeutung – ebenso die Kenntnisse an Computern. Wurden früher Frauen an Nähmaschinen ausgebildet, die Fritz Uhl in Franken unermüdlich sammelte, so überschwemmen nun Altkleider aus Europa auch Tansania. Das bringt das Gewerbe der Schneider arg in Bedrängnis.

Nun übernimmt Rothenburg jährlich 20 Stipendien für bedürftige Jugendliche in Hai mit jeweils 500 Euro pro Person. Genauso unterstützt es Kindergärten und Schulen. Denn viele Kinder in Tansania wachsen als Waisen auf – die HIV-Pandemie hat Spuren hinterlassen. 

Das sind längst nicht die einzigen Herausforderungen in Tansania: Die schmelzenden Gletscher des Kilimandscharo erscheinen als ein Sinnbild für den dramatischen Klimawandel. Noch speist Schmelzwasser die Bäche an den Berghängen, doch aufgrund der Erwärmung ist der Gletscher schon sehr klein geworden; zudem bleibt immer öfter der Regen aus, die „kleine Regenzeit“ – besonders wichtig für die Saat bleibt oft ganz aus – es wird trockener.

An den unteren Hängen des Kilimandscharo leben Angehörige der Volksgruppe der Chagga, die viele Gemeinden im Dekanat Hai tragen. Sie betreiben traditionell Landwirtschaft. Das gerät zunehmend an den Rand, denn inzwischen sind dort auch viele Berufstätige Tagespendler. Und wie sollen sie sich dann noch um die Großeltern kümmern – vor allem, wenn sie zu Pflegefällen werden?

Am Fuße des Berges verläuft die Nationalstraße. Die Siedlungen dort sind noch gut mit Wasser versorgt. Immer mehr Wasserleitungen versorgen direkt die Häuser – ein reiches Betätigungsfeld für die jungen Klempner. Doch jenseits dieses Verkehrsweges breitet sich die Steppe aus. Besonders betroffen von der zunehmenden Dürre sind die Massai, die mit ihren Rinderherden an immer mehr Grenzen stoßen. Traditionelle Wanderrouten sind durch Landbesitzrechte blockiert, Weideflächen schrumpfen mit der Trockenheit.

Die tansanischen Partner schlagen dagegen den Bau von Brunnen vor, dessen Bau pro Stück umgerechnet 5.000 Euro kostet. Unter dem sandigen Boden befände sich in erreichbarer Tiefe Felsen, an dem sich das Wasser sammelt und wieder hochgepumpt werden kann. Die Frauen der Massai, die im Gegensatz zu ihren nomadischen Männern, oft sesshaft sind, können dort Wasser holen. 

Und ein Baum dort kann zum Treffpunkt werden, um neue Ideen voranzubringen: Von Plastik umhüllte Beete rund um die Hütten können Wasser speichern: Nahrungspflanzen lassen sich dort anbauen, da die Massai ansonsten kaum Grundbesitz oder gar Felder haben. Es sei den Partnern in Hai wichtig, „das Evangelium so weiterzusagen, dass sich die Lebenssituation der Empfänger verbessert, wie Klaus Eberius betont. 

Diese Partnerschaft verläuft jedoch nicht einseitig. Während aus Rothenburg lange Zeit Nähmaschinen oder Hilfsgüter verschickt wurden – was heute auch wegen der hohen Einfuhrzölle kaum noch sinnvoll ist – kamen tansanische Orgel nach Rothenburg oder Oestheim.

Gerade auch gesellschaftlich wirkt die Zusammenarbeit: Inzwischen gibt es unter den Massai Frauen, die vor Zwangsheirat bewahrt wurden – sie leben heute selbstbestimmt und zeigen die Kraft der Veränderung.

Die Verbindung zwischen Rothenburg und Hai will den globalen Herausforderungen lokal begegnen. Diesem Vorhaben soll der Besuch von den sechs Menschen aus Tansania neue Tiefe bringen. 

Mehr Infos über das detaillierte Programm und Mitwirkungsmöglichkeiten: https://www.evangelische-termine.de/d-7613283