Flüchtige Augenblicke berühren am tiefsten

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Inge Wollschläger Editorial Hintergrundbild Kraus

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger über ihre Urlaubserinnerungen

Es ist noch nicht so lange her, dass ich aus dem Urlaub zurück bin. Zurück aus der Toskana in Italien, diesem Landstrich voller Wärme, Licht und sanfter Hügel, wo die Tage noch golden schimmerten und die Luft nach Steinpilzen und Rosmarin duftete. Es war einer jener Spätsommer, die sich weigern, dem Herbst zu weichen, als wollten sie die Zeit noch ein wenig aufhalten. 

An einem dieser Abende machten wir, eine Freundin und ich, uns auf, in den nahegelegen Ort zum Abendessen zu wandern. Die Luft war klar, beinahe durchsichtig und der Himmel hatte sein schönstes Abendrot angezogen. Nach dem Essen spazierten wir zurück zur Ferienunterkunft. Über uns funkelten die Sterne, so hell und nah, dass man fast glaubte, sie berühren zu können. Die Zikaden zirpten um die Wette. Und wenn ich nicht hinter jedem Rascheln im Gebüsch ein Wildschwein vermutet hätte, wäre das der beste Spaziergang des Jahres gewesen. 

Kurz vor der Ferienwohnung fragte die Freundin: Was, wenn das der letzte schöne Spätsommerabend wäre?

Vielleicht kennen Sie das auch, liebe Leserin und lieber Leser, dass manche Sätze das Herz mehr treffen, als einem lieb ist. 

Vielleicht war es das Wissen, dass der Herbst schon an die Tür klopfte – der Wetterbericht hatte Regen und kühlere Tage angekündigt. Ein feiner Stich der Wehmut mischte sich in die Schönheit – und mögliche Wildschweinaufregung – des Augenblicks. Doch in diesem Moment lag noch etwas anderes. Es war die Erkenntnis, dass gerade die Vergänglichkeit das Leben so kostbar macht.

Wir alle wissen, dass nichts bleibt, wie es ist – und doch versuchen wir so oft, die Zeit festzuhalten. Dabei sind es gerade die flüchtigen Augenblicke, die uns am tiefsten berühren. In der Toskana habe ich wieder gespürt, wie heilsam solche Momente sind, wie sie uns erden und uns an das erinnern, was wirklich zählt.

Jetzt, zurück im Alltag, nehme ich dieses Gefühl mit. Ich spüre noch die Wärme des Sommers auf der Haut und höre leise die Zikaden. Der Urlaub ist vorbei – ja. Das, was er mir geschenkt hat, bleibt: die Dankbarkeit für das Jetzt, das Bewusstsein, dass jeder Augenblick ein kleines Wunder sein kann, wenn wir ihn bewusst leben. Das ist das Einfachste und Schwerste zugleich.