Erinnerung in Verantwortung

510
Editorial von Martin Ben-Baier, Chefredakteur des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern

Editorial von Chefredakteur Martin Bek-Baier zu seiner persönlichen Erinnerung an Olympia

Ich lag damals Anfang September 1972 als achtjähriger Bub im Kinderkrankenhaus, mitten in München. Noch wenige Tage zuvor hatte ich mit meinen Freunden „Olympia“ gespielt: Fackellauf, Wasserball, Kugelstoßen. (Leider habe ich dabei eine Autoscheibe getroffen.) Jedenfalls war es für mich – wie für viele andere in Deutschland – eine aufregende Zeit. Zunächst durchaus mit Begeisterung für den Sport und die internationale Veranstaltung vor unserer Haustür.  Doch dann hörte ich von meinem Krankenzimmer aus oft die Martinshörner der Polizei. Die Schwestern machten einen betroffenen Eindruck, irgendwas war geschehen, was wir Kinder nicht wissen durften.

In diesen Tagen wird man viel über die Olympischen Spiele 1972 sprechen und nachdenken. Vor allem an das Terrorattentat und dessen tragischen Ausgang wird erinnert werden. Auch wir widmen uns diesem Thema. Der bayrische Evangelische Pressedienst (epd) hat dazu hervorragend recherchiert und Gespräche mit Augenzeugen geführt. 

In der vergangenen Ausgabe haben wir in zwei der Artikel über die positiven und sportlichen Aspekte der damaligen Spiele berichtet. In dieser Ausgabe geht es vor allem um die Erinnerung an das schreckliche Attentat und das Gedenken an die Opfer (Seiten 6 bis 10).

Derweil schwelt der Streit um die offizielle Gedenkfeier weiter, der nun eskalieren könnte. Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) hat die für den 5. September geplante Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des Münchner Olympia-Attentats infrage gestellt. Angesichts der Absage der Angehörigen der Opfer müsse ernsthaft geprüft werden, ob eine solche Gedenkfeier möglich ist, sagte Spaenle wiederholt. Die Verantwortung sieht er bei der Bundesregierung. Die Absage der israelischen Delegation sei ein „schwerer Schlag“. Bei aller verständlichen Kritik des CSU-Mannes: Allein an der aktuellen Bundesregierung kann es aber nicht liegen. Es gab ja viele Bundesregierungen zwischen 1972 und heute, die alle zu keiner Lösung kamen.

Vor zwei Wochen an dieser Stelle habe ich schon darüber geschrieben. Bisher bis zum Abfassen dieser Zeilen (Zeitpunkt Redaktionsschluss) gab es keine Änderung. Es sind nur noch wenige Tage Zeit. Hoffentlich gibt sich die Regierung noch einen Ruck. Die Familien verdienen einen Abschluss.