Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zur Bekehrung der Lydia
„Glaubst du an Gott?“ – „Äh, Ja. Du?“ – „Ähm, ich auch“. Völlig unerwartet trifft mich dieser knappe Dialog. Die Sprecher auch, so habe ich das Gefühl. Ich höre beim Autofahren „Hotel Matze“, einen bekannten Podcast. Der Gastgeber, Mathias „Matze“ Hielscher, nimmt sich darin viel Zeit für seine Gäste, hört ihnen zu, fragt klug nach, gibt Raum für die Persönlichkeit, die ihm gegenübersitzt. Hielscher verkörpert Berliner Popkultur der Nullerjahre, war Bassist bei „Virginia Jetzt!“, einer damals erfolgreichen Band.
Zum Jahresbeginn 2025 wiederholt Hielscher seine persönliche Lieblingsfolge aus dem Jahr 2024: über zwei Stunden Gespräch mit dem Schauspieler Franz Rogowski. Ganz unvermittelt fragt er seinen Gastgeber in eine kleine Pause hinein: „Glaubst du an Gott?“. Hielscher antwortet: „Äh, Ja. Du?“ Und Rogowski erwidert: „Ähm, ich auch.“ Aus dem Nichts geht es bei den beiden um Gott und den Glauben. Das hätte ich nicht erwartet.
Beide sind berührt, das hört man, aber nicht peinlich. Dieser Moment ist ein ganz kostbarer in ihrem Gespräch. Ein sehr ehrliches Bekenntnis, ganz ohne Fassade: „Glaubst du an Gott?“. „Ja.“ Klar und einfach. Das berührt auch mich tief. „Ich hab‘ einfach das Gefühl … Ich spür das. Ich spür das hier mit Dir, wenn wir uns anschauen, wenn wir miteinander reden.“ fügt Rogowski wenig später hinzu. In der Begegnung dieser beiden Menschen geht eine ungeahnte Dimension auf: ein Gespür, eine Ahnung für Gott.
Szenenwechsel: Als der Apostel Paulus aus Kleinasien nach Mazedonien übersetzt, reist er mit seinen Leuten bald nach Philippi weiter:
Am Sabbattag gingen wir hinaus vor das Stadttor an den Fluss, wo man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. Und eine Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, eine Gottesfürchtige, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus.
Aus Apg. 16,13–15
Unten am Fluss vor den Toren Stadt reden Paulus und seine Leute mit den Frauen, die sich dort zum Beten versammelt haben. Unter den Frauen hier scheint Lydia in einer ganz besonderen Weise zuzuhören – sie „hat acht“ darauf, was Paulus sagt. Was für ein schönes Wort! Lydia geht das Herz auf für das, was Paulus von Gott und Jesus von Nazareth erzählt. Es berührt sie. Die Dinge sind für sie klar. Sie antwortet in ihrer Taufe auf die Frage: „Glaubst du?“ mit einem ungeschminkten „Ja.“
Lydia gilt als die erste europäische Christin. Das Christentum in Europa beginnt mit einer kostbaren Begegnung zweier unbekannter Menschen, in der ein Gespür für den Glauben entsteht.
In wenigen Tagen beginnt die Fastenzeit. Ich werde dieses Jahr versuchen, meine Zeit möglichst reich zu machen: reich an ehrlichen Begegnungen und ungeschminkten Gesprächen. Ich will achthaben auf meine Mitmenschen und mein Herz auftun, für das, was sie zu sagen haben. Vielleicht geht uns ja etwas auf.
Dr. Hendrik Meyer-Magister, Stellvertretender Direktor
und Studienleiter Ev. Akademie Tutzing