
Wie die Reichsstadt Nürnberg trotz aller Unruhen die Reformation geordnet einführte
Wie ließ sich die Reformation einführen, ohne ein Spielball der Unruhen auf den Straßen zu sein? Diese Frage trieb die Nürnberger Stadträte im Frühjahr 1525 um. Die Stimme der damaligen Reichsstadt hatte vor 500 Jahren Gewicht. Mit rund 40.000 Menschen war sie neben Köln eine der größten Städte im Deutschen Reich. Sie beherbergte die Reichskleinodien und präsentierte sie jährlich auf dem Hauptmarkt. Die Kaiser waren regelmäßig in ihren Mauern zu Gast – ebenso wie die Reichsversammlungen.
Bereits vor dem Thesenanschlag Luthers hatte dessen ehemaliger Beichtvater und Vorgesetzter Johannes von Staupitz im Advent 1516 und in der Passionszeit 1517 öfter in der Kirche des Nürnberger Augustinerkonvents an der Sebaldus-Kirche gepredigt. Er schürte nicht mehr die Angst vor göttlichen Strafen, sondern wollte das Gewissen der Gläubigen entlasten. Auch Martin Luther machte 1518 bei seiner Reise nach Augsburg zur Disputation mit dem Kardinal Cajetan und auf der Rückreise Halt in der Reichsstadt.
Der Ratsschreiber Lazarus Spengler berichtet von dem tiefen Eindruck, den der Reformator auf ihn und seine Freunde machte. Sie lasen eifrig die Schriften Luthers. Ab 1522 wirkte auch der lutherisch geprägte und erst 23-jährige Theologe Andreas Osiander an der Lorenzkirche.
Die Auseinandersetzungen zwischen Anhänger der Reformation und Altgläubigen wurden immer schärfer. Selbst Handwerker predigten in den Straßen – was der Rat 1524 verbot.
In seinem Gedicht „Die Wittenbergisch Nachtigall“ pries Hans Sachs den Reformator. Im Frühjahr 1524 ließ sich in der Reichsstadt das Abendmahl in beiderlei Gestalt empfangen sowie die Messe auf Deutsch hören. Immer öfter und in immer mehr Kirchen strichen die Prediger liturgische Elemente der Altgläubigen aus den Gottesdiensten. Kaiser Karl V. drohte der Stadt wiederum mit dem Verlust aller Privilegien und Freiheiten, falls sie gegen das Wormser Edikt von 1521 und gegen das Kirchenrecht verstoßen sollte.
Noch einmal versuchte der Nürnberger Rat im Juni 1524 einen Kompromiss: Er genehmigte lutherische Predigten, wenn Kult und Zeremonien gut katholisch blieben. Das lehnten die allermeisten Kirchenvertreter rundweg ab. Schon damals kam eine Bauerndelegation aus der Umgebung mit ihren Forderungen in die Stadt. Die Obrigkeit hielt sie zunächst fest. Handwerker der Stadt eilten den Bauern zu Hilfe. Und: Der Rat gab nach – in allen Dingen.
Lazarus Spengler war einer der treibenden Kräfte im Nürnberger Rat, die die Reformation in Nürnberg vorantreiben wollten. Offenbar wünschte sich dieser aber auch eine breitere Legitimationsbasis für die Einführung der Reformation. Vor genau 500 Jahren – vom 3. bis 15. März 1525 – gab es im alten Nürnberger Rathaus einen Disput darüber.
„Wie steuert eine Obrigkeit die Prozesse?“, fragt Thomas Eser, der Direktor der Museen der Stadt Nürnberg im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Ihn treibt es um, solche Jubiläen nicht nur als historisierende Glanzpunkte zu begehen, sondern „Relevanz zu erzeugen“ für Heute. Welcher Mittelweg ließ sich finden zwischen einer Offenheit der Diskussion und dem drohenden Chaos?
Das aktuelle Nürnberger Festwochenende vom 14. bis 16. März umkreist das Jubiläum in verschiedenen Ansätzen: Es bietet am Samstag, 15. März, von 9.30 bis 18 Uhr mehrere öffentliche kostenfreie Festvorträge über die Bedeutung der Religionsgespräche für aktuelle Debatten. Was können wir etwa aus dieser längst vergangenen Krisenzeit lernen?
Zwei Jahre lang wurden die Veranstaltungen vorbereitet, berichtet Martina Bauernfeind. Sie war an der Organisation im Geschäftsbereich Kultur der Stadt wesentlich beteiligt. Am Freitag, 14. März, diskutieren um 19 Uhr der evangelische Landesbischof Christian Kopp und der Reformationshistoriker Thomas Kaufmann aus Göttingen über die Frage: „Was gibt es da zu feiern?“ Am Sonntag, 16. März, geht es um 10 Uhr mit einem Ökumenischen Festgottesdienst in St. Sebald mit Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern und Erzbischof Herwig Gössl aus Bamberg weiter. Anschließend laden öffentliche kostenfreie Führungen dazu ein, sich Orten aus der Reformationszeit zu nähern. Auch die Museen Nürnbergs bis hin zum Bibelmuseum bieten abgestimmte Ausstellungen im ganzen Jahr. So können sich alle Interessierten ein eigenes Bild machen.
Alle hörten engagiert mit
Schon vor 500 Jahren konnte bei offenen Fenstern trotz der Jahreszeit jeder von draußen die Dispute mithören. Die Versammelten bedrohten die Mönche, die mit Osiander disputierten. Er war der mitreißende Star der Dispute. Die Organisation lag bei den Reformkräften im Rat. Als Diskussionsgrundlage diente nur noch die Bibel: So war das Ergebnis nicht überraschend. Zuletzt erschienen die Mönche nicht mehr. Am 21. April 1525 verbot der Rat katholische Messen. In allen Kirchen sollte evangelisch gepredigt werden.
Doch Bildersturm war untersagt, so dass die meisten Kunstwerke erhalten blieben. Die Auflösung der Klöster war nachhaltig nur über einen längeren Zeitraum hinweg zu realisieren. So wurden Neuaufnahmen untersagt. Viele Ex-Klöster wurden zu städtischen Gebäuden.
Ehemaliges Kirchen- und Klostergut diente auch im Almosenkasten zur Versorgung der Bedürftigen. Ein Jahr später entstand mit Unterstützung Philipp Melanchthons das erste humanistische Gymnasium.
Doch auch Schriften Zwinglis wurden bald verboten, Täufer ausgewiesen. Bis 1806 blieb Nürnberg rein lutherisch. Kein Katholik konnte das Bürgerrecht erwerben. Osiander schrieb nun an einer Kirchenordnung, die 1533 in Kraft trat. Sie diente als Vorbild für die benachbarte aber konkurrierende Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach – und für weitere lutherische Regionen.
Ein überraschendes Ende erwartete den Reformator Osiander: Er schien sich selbst überlebt zu haben und machte sich als der „Papst von St. Lorenz“ zunehmend in der Stadt unbeliebt. Er galt bald als humorlos und besserwisserisch. Andererseits trat er für Juden von Titting bei Greding ein, denen ein Ritualmord zur Last gelegt wurde. Er deckte materielle Interessen des Landesherrn und seiner Geistlichen dahinter auf. 1549 übernahm Osiander eine Theologieprofessor an der gerade gegründeten Universität Königsberg. Dort geriet er in Streit mit den Anhängern Philipp Melanchthons über Details der Rechtfertigungslehre.
Stefan Ark Nitsche u. a. (Hg): Orte der Reformation: Nürnberg. Leipzig 2011, 96 Seiten, ISBN 978-3-374-028481.
Unter https://www.nuernberg.de oder https://www.nuernberg-evangelisch.de finden sich Links mit Infos zu den Veranstaltungen und Führungen. Bitte um Voranmeldung zu den Festvorträgen per E-Mail: zep@stadt.nuernberg.de oder telefonisch unter: 0911/231-20282 oder 231-23 90.