Beharrlicher Einsatz trotz aller Müdigkeit

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zur Müdigkeit des Propheten Jeremia

Herr, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen. Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen; aber ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich. Denn sooft ich rede, muss ich schreien; „Frevel und Gewalt!“ muss ich rufen. Denn des Herrn Wort ist mir zu Hohn und Spott geworden täglich. Da dachte ich: Ich will seiner nicht mehr gedenken und nicht mehr in seinem Namen predigen. Aber es ward in meinem Herzen wie ein brennendes Feuer, verschlossen in meinen Gebeinen. Ich mühte mich, es zu ertragen, aber konnte es nicht. Denn ich höre, wie viele heimlich reden: „Schrecken ist um und um!“, „Verklagt ihn!“ „Wir wollen ihn verklagen!“ Alle meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle: „Vielleicht lässt er sich überlisten, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen.“ Aber der Herr ist bei mir wie ein starker Held, darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen.

Jeremia 20,7–11

Ich stelle mir vor, Jeremia sitzt mir am Küchentisch gegenüber. Ich glaube, ich fände ihn ganz sympathisch. Selbstbewusst, dynamisch, mit einer klaren Vision vor Augen, lebendig. Worüber würden wir sprechen, welche prophetischen Worte würde er heute finden: Über Gott und warum es uns nicht gelingt mehr Menschen für ihn und seine Botschaft zu begeistern? Über unsere „Tempel“, über Kirchengebäude, die schön sind und beeindruckend und voller Geschichte, aber manchmal auch ohne Wärme und Leben? Über die Kirche, die strukturell gut organisiert ist, der es aber an Mut und Kampfesgeist oft fehlt? Über den Wahlkampf vieler Menschen in der Politik, die viel Energie aufbringen andere abzuwerten, sie zu verspotten und zu überlisten und dabei aus den Augen verlieren, wieviel uns mit Zusammenhalt gelingen könnte? 

Und was würde Jeremia zu mir ganz persönlich sagen: Ja, du engagierst dich, spendest hin und wieder für einen diakonischen Zweck, bist Mitglied in einer demokratischen Partei, besuchst Alte und Kranke, versuchst deinen Kindern Liebe, Mut und Nächstenliebe mitzugeben. Aber da geht doch noch mehr. Erheb deine Stimme. Die Welt, das Klima, der Frieden, die Kirche, es scheint doch alles aus den Fugen zu geraten.

Und dann sehe ich, wie Jeremia seinen Kopf auf meinen Küchentisch gleiten lässt und sagt: Ich sag’s dir, ich habe selber keine Energie mehr. Es ist zu viel. Warum soll ich kämpfen, warum ich, sollen das andere machen. Um mich herum sind nur negative, zerstörerische Kräfte.

Aber Jeremia spürt das brennende Feuer in seinem Herzen. Und er spürt: Gott ist mein starker Held. Das lässt ihn seinen Kopf heben. Er macht weiter und wird zu einem Helden. Kein lauter, männlicher, selbstverliebter, sondern ein besonnener, mutiger Mensch. Er erzählt von seinem starken Gott, er ermahnt zur Solidarität und zeigt die Folgen egoistischen, ungerechten Handelns auf – eben ein richtiger Prophet.

Ich bin keine Prophetin, aber ein Mensch – mit Mitgefühl und Verstand, mit Hoffnung für die Zukunft, mit Liebe für Gerechtigkeit und Frieden und einem brennenden Herzen.

Und der Herr ist bei mir, wie ein starker Held.

Claudia Buchner, Pfarrerin in Ruhpolding

rotabene
An dieser Stelle schreiben verschiedene Autoren für das Evangelische Sonntagsblatt.