Editorial von Chefredakteurin Susanne Borée zur zunehmenden Helligkeit in den Morgenstunden
Endlich! Inzwischen ist es morgens bereits hell, wenn der Wecker mal wieder allzu früh schrillt. Manchmal dringt nur ein ungewisses Grau durch die Ritzen der Vorhänge, doch immer wieder erstrahlt bereits fröhliches Sonnenlicht beim Aufstehen. Dann kommen mir noch vor dem Duschen die alten Verse „Morgenglanz der Ewigkeit“ (EG 450) in den Sinn.
Doch bereits nach der zweiten Zeile „Licht vom unerschöpften Lichte“ stocke ich. Ich muss nachschlagen: „Und vertreib durch deine Macht / Unsere Nacht“, so beendet Christian Knorr von Rosenroth († 1689) die erste Strophe, die er am Hofe des Pfalzgrafen Christian August von Sulzbach dichtete.
Halt, das sind doch alte Bekannte! Während mein Kaffee durchläuft, frische ich mit einigen Klicks meine Erinnerungen auf: Der Oberpfälzer Christian August hatte vor 350 Jahren die Idee zu den Simultankirchen für beide Konfessionen.
Der Lutheraner Christian Knorr von Rosenroth wirkte bei dem katholischen Pfalzgrafen als Hof- und Kanzleirat. Beide trafen sich darin, dass sie ziemlich mystisch angehaucht waren. Trotzdem: Solche Politiker bräuchte es heute, denke ich flüchtig. Ich mag so früh jedenfalls gar nicht die neuesten Nachrichten ansehen. Lieber über die scheinbar altertümliche Verse nachsinnen.
„Deiner Güte Morgentau“, so heißt es weiter, „Fall auf unser matt Gewissen: / Laß die dürre Lebensau / Lauter süßen Trost genießen“. Das passt selbst in diese düstere Passionszeit, in der wir jeden Tag neu um Kraft ringen, um allein schon alle aktuellen Entwicklungen zu ertragen.
„Gib, dass deiner Liebe Glut / unsre kalten Werke töte, / und erweck uns Herz und Mut / bei entstandner Morgenröte, / dass wir eh wir gar vergehn, / recht aufstehn.“ Und endlich richtig wach werden, bevor schon wieder so viel Zeit zerrinnt! Vor dem Fenster ballen sich erneut dunkle Wolken zusammen. Ich sollte ankommen, bevor der Nieselregen einsetzt!
Während ich Schal und Mütze anlege, kommt mir gegen die Kälte der Gleichgültigkeit und der Routinen noch die Frage „Brannte nicht unser Herz?“ (Lukas 24,32) in den Sinn. An diese innere Glut erinnerten sich die Emmaus-Jünger – jedoch erst nachdem Jesus wieder entschwunden war. Sie erfuhren so die Gegenwart des Auferstandenen und eilten zurück nach Jerusalem, um die Botschaft zu teilen und sich neuen Herausforderungen zu stellen.