Zwischen Massaker und Mythos – Teil 1

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Angriff auf die Festung Marienberg. Aus: Conterfei etlicher Kriegshandlungen von 1523 bis in das Jahr 1527 (Reproduktion nach 1527). Foto: Staatsbibliothek Bamberg, RB.H.bell, f. 1, fol. 67. Foto: Gerald Raab (aus der Bauernkriegs-Ausstellung des Museums für Franken)
Foto: Staatsbibliothek Bamberg, RB.H.bell, f. 1, fol. 67. Foto: Gerald Raab (aus der Bauernkriegs-Ausstellung des Museums für Franken)

Bauernkrieg in Franken: Von der Romantisierung der Revolte zu neuer Vergegenwärtigung – Teil 1: Zwischen Lied und Lebenswirklichkeit

Der Mythos um den Bauernkrieg von 1525 in Franken und gerade auch Florian Geyer, einen seiner Anführer, lebt bis heute fort. Da lohnt ein Blick auf den historischen Kern der Ereignisse zwischen Würzburg und Rothenburg. Dieser Artikel zeichnet den historischen Kern der Ereignisse, seine ideologischen Umdeutungen und das kulturelle Nachleben etwa im Lied nach – bis hin zu den aktuellen Gedenkformaten. 

„Und wollen mit Tyrannen raufen“ – dieser Vers klingt kämpferisch und reimt sich gut auf die Titelzeile des Liedes „Wir sind des Geyers schwarzer Haufen“. In den folgenden Strophen ruft es zur Vergewaltigung von Adligen, zum Mord an Kindern und zu maßloser Gewalt auf. Ein authentischer Blick in die Welt der Bauernkriege? Mitnichten. Das Lied, häufig als Volkslied aus dem 16. Jahrhundert ausgegeben, entstand um 1920 im Umfeld der Bündischen Jugend. 

Bald grölten es die SS-Kampftruppen. Eine Kavalleriedivision der Waffen-SS trug Geyers Namen. Auch in der DDR lebte der Mythos weiter: Ein Grenzregiment, landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften und zahlreiche Straßen wurden nach Geyer benannt. Das Lied endet mit der Zeile: „Uns’re Enkel fechten’s besser aus“ – wie geschaffen für das Liedgut der FDJ und der Nationalen Volksarmee.

Realität 1525 in Würzburg

Hat Florian Geyer dies alles verdient? Er begegnet uns ab Mitte Mai 1525 als Anführer eben dieses „Schwarzen“ Bauernhaufens vor Würzburg. Als fränkischer Reichsritter und Truppenführer hatte er die Seiten gewechselt. Kämpften die Bauern nicht damals schon auf verlorenen Posten? Am 15. Mai war schließlich das Bauernheer im thüringischen Frankenhausen vernichtend geschlagen. 

In Franken war jedoch noch vieles offen: Da begannen die Bauernhaufen in Würzburg erst am 14. Mai – damals der Sonntag Kantate – die Belagerung der Festung Marienberg. In der ersten Morgendämmerung um 4 Uhr früh beschossen sie die Burg. Zuvor waren Verhandlungen mit den Würzburger Fürstbischof Konrad von Thüngen gescheitert, obwohl viele Bürger die Bauern unterstützten. Konrad von Thüngen sollte bereits am 1. Mai bei einem Landtag die Zwölf Artikel der Bauern annehmen. Dennoch konnte er wieder auf seine Burg zurückreiten. Frauen aus der Stadt bemängelten schon da die Einfalt ihrer Männer, den Bischof nicht gefangen genommen zu haben. Er konnte wenige Tage später aus Würzburg entkommen. 

Selbst danach wirken die Bauernhaufen zögerlich: Sie ließen der Festung Marienberg bis zum 13. Mai Zeit sich auf die Belagerung vorzubereiten. So hatte die Besatzung unter Hofmeister Sebastian von Rotenhan und anderen Zeit gewonnen. Sie nutzten sie gut: Sie zogen die Besatzungen anderer Burgen dort zusammen, und sicherten die eigene Herstellung von Munition sowie Pulver auf der Burg.

Die Bauernheere mit angeblich 15.000 bis 20.000 Mann standen nicht nur unter dem Befehl Florian Geyers, sondern auch Götz von Berlichingens und weiterer Hauptleute. Ihre Ziele unterschieden sich teils deutlich. Dennoch bildeten ihre Vertreter einen Obersten Rat vor Ort. 

„Als Adam grub und Eva spann/ wo war denn da der Edelmann?“ Diese Zeilen aus dem Lied vom „Schwarzen Haufen“ sind alt. Älter sogar als 1525. Sie reichen bis zu den Bauernaufständen um 1380 in England zurück. Getreu diesem Motto wollte Geyer eine auf Bauern- und Bürgertum gegründete Reichsreform ohne Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit – mit der lutherischen Lehre als moralischer Grundlage. 

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