„Pfingstrotes“ Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger
Im Garten meiner Mutter blühen die Pfingstrosen „Nimm dir welche mit“, sagt sie – und das lasse ich mir nicht zweimal sagen. An dem leuchtenden Rot der Blüten kann ich mich nicht satt sehen.
Vor ein paar Jahren gab es von den digitalen Kirchen im Internet die Aktion: „Wir sehen Pfingstrot“. Alle Menschen konnten mitmachen und ein Bild veröffentlichen, auf dem etwas „Pfingstrotes“ zu sehen ist. Und so sehen wir Bilder von Blumen, Erdbeeren, Nagellacken und Feuerlöschern. Rote Flyer von Kirchengemeinden und Paramente und immer wieder auch Innenansichten von Kirchen, in denen es rot schimmert, funkelt und leuchtet. Über die Jahre sind viele tausend Bilder im Netz dazu entstanden– alle versehen mit dem Vermerk: „Wir sehen Pfingstrot“.
An Pfingsten darf die Kirche sich ruhig ein bisschen in Schale werfen – die roten Paramente leuchten wie ein sichtbares „Jetzt geht’s los!“. Rot steht für den Geist, der bewegt, antreibt, begeistert – und der uns daran erinnert, dass wir nicht nur Zuhörer sein sollen, sondern Mitmacher.
Pfingsten ist das Fest, das oft zwischen Frühling und Sommer ein wenig untergeht. Kein Baum, kein Hase, kein Kind mit Laterne in Sicht. Auch wenn es das alles nicht gibt – es ist mein persönliches Lieblingsfest in der Kirche. Pfingsten ist mehr, als man auf den ersten Blick sieht – oder besser: spürt. Denn da ist auch dieser Wind, von dem zu lesen ist. Diese Kraft, diese fröhliche Unruhe, die durch die alten Mauern weht. Ruach nennen ihn die Hebräer – Gottes Atem, Geist, Lebenskraft.
Und genau diese Ruach fegt zu Pfingsten durch die Jünger: ängstlich, verunsichert und irgendwie in Warteschleife. Doch dann kommt der Heilige Geist wie ein Sturmwind, wie züngelnde Flammen. Die Jünger gehen raus, reden, verkünden, begeistern – wortwörtlich! Sie sprechen in vielen Sprachen und trotzdem verstehen sich alle. Ein Wunder? Ja. Aber auch ein Zeichen: Der Glaube ist nicht zum Einsperren da. Er will raus, unter Leute, bunt und lebendig sein!
Vielleicht also ein guter Moment, mal wieder Wind in die Segel zu lassen. Mal nicht fragen, was nicht geht, sondern was möglich ist. Mal mit leuchtendem Herzen sagen: „Gott sei Dank für diesen Geist!“ Und vielleicht traut sich ja jemand, zur Abwechslung ein knallrotes Hemd in die Kirche zu tragen. In diesem Sinne: Frohe und feurige Pfingsten!