Was Paulus unbedingt noch erleben möchte

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zum „Gewinn“ des Paulus

Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, auf dass ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott kommt durch den Glauben. Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung der Toten. Nicht, dass ich‘s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.

Philipper 3,7–12

Sterben würde ich – ganz sicher. Schon beim Flug wäre mir mulmig. Aber wenn die Türe aufgeht und ich mit Fallschirm und meinem Tandem-Master ins Nichts springen soll: ich würde sterben vor Angst. Nein, auf meine „Bucket list“ kommt kein Fallschirm-
Sprung. 

„Bucket list“? So nennt man eine Art To-do-Liste für Dinge, die man noch erleben möchte, bevor man stirbt. Die Frage ist dann: Was, wenn ich nicht mehr alle Zeit der Welt habe? Was will ich tun, bei wem will ich sein, welchen Traum will ich leben und welchen Blödsinn lassen, wenn meine Zeit knapp wird? Fragen, die man sich im Krankenbett stellt, im Urlaub oder im Gefängnis.

Paulus sitzt im Gefängnis. Und er schreibt seiner Lieblingsgemeinde seine wichtigsten Ziele, die in unserer Sprach lauten könnten: „Ich möchte gefunden werden – nämlich in Jesus Christus. Den möchte ich erkennen! Ich möchte hineinkriechen in sein Sterben und Auferstehen. Ich möchte den Ruf des Lebens hören, ihm folgen und den Weg bis zum Ursprung gehen – heim, zu meinem Gott.“ 

Paulus räumt ein: „Das ist neu. So habe ich bisher nicht gelebt! Status, Herkunft, Selbstgerechtigkeit – das trieb mich an“. Aber jetzt zählt das in seiner Zelle nichts mehr. Genauso wie damals vor Damaskus als ihn ein überirdisches Licht aus dem Sattel hob. Sogar das Sehen musste er dann neu lernen. Alles auf Null – das hat er schon mal erlebt. Und so geht es ihm heute.

Wichtig: Niemandem redet Paulus das Leben schlecht, in dem man so steckt. Aber Paulus redet von Momenten, in denen nichts mehr trägt und tröstet – egal, wieviel Zeit oder Geld es gekostet hat.

„Ich möchte“ stammelt Paulus und schreibt seine Liste. Eigentlich immer das Gleiche: Er sucht die Verbindung mit Jesus, der sich ihm damals in den Weg gestellt hat. Er will hin-
einschlüpfen in sein Licht und in die Macht der Christus-Bewegung: Vom Thron steigen – loslassen – fallen – sterben – aufgefangen werden – neue Kraft spüren – selbst leuchten. Diese Bewegung will er üben und mithineingenommen werden. Er sucht die Hand, die hält und auffängt. Nicht nur im Sterben.

Anderes Bild: Die Flugzeugtür geht auf, hinter mir mein Tandem-Master, festvergurtet mit mir – Christus bei mir und für mich. Gibt mir einen Ruck gegen die Angst. Ich springe und mein Christus springt mit, zieht die Reißleine, lässt uns beide für einen Augenblick schweben bis wir landen – im hier und jetzt und wo Gott mich braucht.

Dekan Jörg Dittmar, Bad Windsheim