Was wächst im „Herbst der Reformen“?

10
Raimund Kirch, Mitglied im Herausgeberbeirat des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern. Hintergrundbild: Kraus
Raimund Kirch, Mitglied im Herausgeberbeirat des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern. Hintergrundbild: Kraus

Editorial von Raimund Kirch über die politischen Herausforderungen des Herbstes

Mit dem 1. September hat der meteorologische Herbst begonnen. Das genaue Datum dient der Vergleichbarkeit von Wetter und Klimadaten über die drei Kalendermonate September, Oktober und November. Der kalendarische Herbstanfang dagegen, also die Tag- und Nachtgleiche, hängt vom Sonnenstand ab und findet um den 22. oder 23. September statt.

Uns soll es hier um die kommenden drei bis vier Monate gehen. Sie sind für die Politik und die Stimmung im Lande besonders wichtig, denn die noch junge Koalitionsregierung hat sich einen „Herbst der Reformen“ vorgenommen. 

Warum ich an dieser Stelle da­rauf zu sprechen komme? Weil auch den Kirchen dabei eine wichtige Rolle zukommt, wie ich meine. 

Zwar sind die Zeiten – glücklicherweise – beendet, als die Kirchen von den Kanzeln herab eindeutige Wahlempfehlungen gaben. Dennoch kann das politische Klima den Kirchen nicht, auch heute nicht, gleichgültig bleiben. Mehr noch, sie haben durchaus eine Aufgabe, wenn nicht sogar eine Pflicht zu mäßigen. Ebenso, gefährliche Entwicklungen zu benennen, unfaires Verhalten und hass­erfüllte Angriffe zu kritisieren. 

Vom Bundeskanzler kam in den letzten Tagen schon einmal die Marschrichtung für diesen „Herbst der Reformen“. Laut seinen Äußerungen ist der Sozialstaat nicht mehr zu finanzieren und in seiner direkten Art schloss er auch das Rühren an Tabus nicht aus. Was wohl auch sein muss. 

Zur Debatte stehen die Erhöhung des Rentenalters, die Bevorteilung der Erben großer Vermögen, die Finanzierung der Gesundheitsvorsorge und der Pflege im Alter – um nur einige Kernprobleme zu nennen. Erste Schlagabtausche lassen allerdings an das unrühmliche Ende der verflossenen Ampelkoalition erinnern. 

Wem das zupasskommt, lässt sich ausdenken. Ich meine, dass wir Bürgerinnen und Bürger sehr wohl zu Einschränkungen bereit wären, wenn es auf gerechte Lösungen hinausläuft, die als solche auch vermittelt werden müssen. 

Gerade Parteien, die sich christlich-sozial und christlich-demokratisch nennen, dürfen diesbezüglich nicht enttäuschen. Worauf es in diesem „Herbst der Reformen“ ankommt, sind gegenseitiger Respekt, die Bereitschaft zum Kompromiss und ökumenisches Miteinander. Da ließe sich von den Erfahrungen der großen Glaubensgemeinschaften einiges lernen.