Mit Geduld und Mut zum Erntesegen

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Familie Stiegler vor ihrem Hof: In der Mitte Vater Fritz Stiegler, links seine Frau Sieglinde, rechts Sohn Martin und dessen Partnerin Svenja.Ganz links Svenjas Mutter Andrea Rießbeck. Foto: privat
Familie Stiegler vor ihrem Hof: In der Mitte Vater Fritz Stiegler, links seine Frau Sieglinde, rechts Sohn Martin und dessen Partnerin Svenja.Ganz links Svenjas Mutter Andrea Rießbeck. Foto: privat

Wie ein fränkischer Hof Landwirtschaft neu denkt und dabei einige harte Nüsse knackt 

Um die Nuss zu knacken, braucht es einen langen Atem – und gleichzeitig Wagemut. „Sieben bis neun Jahre“, so Martin Stiegler, müssen die Haselnussbäume erst einmal ausreichend wachsen, bevor die allererste Ernte ansteht. So lange musste er sich auf seinem Hof in Gonnersdorf bei Cadolzburg gedulden. Erst dann konnte er erleben, ob seine Idee überhaupt ausreichend Früchte trug. Der junge Landwirt konnte sich nur auf eins verlassen: auf den Rückhalt in seiner Familie, deren Bauernhof er nun weiterführt.

Dort konnte es jedoch nicht so weitergehen wie gewohnt: Denn 2005 kam die Ankündigung, dass Anfang 2010 europaweit die Subventionen für den Tabakanbau wegfallen sollten. Darauf hatte sich der Betrieb bis dahin spezialisiert. Bereits 2006 pflanzten die Stieglers auf den ersten vier Hektar die ersten Bäumchen an.

Schon Vater Fritz Stiegler experimentierte da mit unterschiedlichen Haselnuss-Sorten. Auf praktische Erfahrungen, welche Sorten den fränkischen Boden besonders mögen, konnte er nicht zurückgreifen. Manche verkümmerten, andere gediehen prächtig. Und der Hoferbe Martin reiste nach seinem Landwirtschaftsstudium erst einmal in die USA. Ein intensives Praktikum in einem Haselnuss-Großbetrieb dort prägte ihn.  

Doch dann brannte 2014 auch noch der gesamte Bauernhof nieder, der aus dem 17. Jahrhundert stammt. Nur die Dorfschmiede dort blieb halbwegs erhalten. Sie ließ sich noch restaurieren und neu beleben. Heute schlägt dort das Herz des Hofes. 

Er wurde wieder aufgebaut, alte Sandsteine und Holz aus dem eigenen Wald fanden erneut Verwendung. In dem urigen Ambiente der alten Hofschmiede stehen nun moderne Automaten, gefüllt mit Nuss-Aufstrichen (bewusst ohne jegliches Palmöl), Nuss-Salzen – rund um die Uhr zugänglich. Im Online-Shop lassen sich auch aus der Ferne die Produkte ordern.

Denn tatsächlich zeigten sich endlich die ersten kleinen Nüsse an den Bäumen. Inzwischen gedeihen rund 5.000 Bäume auf seiner zehn  Hektar großen Plantage. Zwischen hundert Kilogramm und drei Tonnen Nüsse pro Hektar und Jahr können hier geerntet werden. 

Allerdings fiel 2022 die Ernte um 85 Prozent geringer aus als gewöhnlich. Im Durchschnitt sind es rund 40 Tonnen. 2023 gab es dafür eine Rekordernte von 65 Tonnen – das bedeutete Stress bei der Verarbeitung bis Weihnachten. Und dieses Jahr? Da wagte Martin Stiegler noch bis weit in den September hinein keine Prognose. Kurz vor Redaktionsschluss meinte er vorsichtig: „Unterer Durchschnitt, aber wir sind damit zufrieden“. Aufgrund der Witterung laufe die Ernte erst langsam an.

Der Hof versucht die Nüsse gegen Frost im Frühjahr und Trockenheit im Sommer zu schützen. Viele Ernte-Einbrüche kließen sich nicht verstehen – Martin Stiegler sieht Handlungsbedarf bei staatlicher Forschung und Beratung. Zusätzlich läuft aber auf dem Hof noch traditionelle Landwirtschaft, die die Risiken abfedert.

Kreislauf rund um die Nuss

Die Nüsse fallen auf ausgespannte Netze, unter denen Hühnern gackern. Tagsüber laufen sie zwischen den Bäumen, düngen den Boden und halten das Gras kurz. Ihre mobilen Ställe werden regelmäßig versetzt, so dass die Tiere immer frische Nahrung finden. Ein besonderer Leckerbissen für sie sind aber die Larven des Haselnussbohrers – eines gefürchteten Schädlings für die Bäume oben. Statt chemischen Mittelchen übernehmen sie die Rolle natürlicher Schädlingsbekämpfer. 

Ihr Futter runden aussortierte Nüsse ab, die ansonsten nicht mehr zu gebrauchen wären. So erhalten die Eier, die ebenfalls in den Hofladen wandern, ein besonderes nussiges Aroma. Und auch sonst gehen sie formvollendet Verbindung mit den Haselnüssen ein: Die Stieglers stellen Nuss-Nudeln „Kuchen im Glas“ und sogar einen „Eier-GeNuss-Likör“ selbst her, in denen beide Produkte verarbeitet sind. Auch sie finden ihren Weg in den Verkauf der Hofschmiede. Selbst für Nuss-Schalen entdecken sie neue Verwendung: etwa als Mulch-Ersatz oder anstelle der üblichen Holzkohle zum Grillen. Abfälle werden zu Ressourcen. 

Denn die Stieglers verarbeiten ihre Nüsse direkt auf dem Hof weiter: Die lautstark ratternden Maschinen sind das Experimentierfeld von Vater Fritz Stiegler, der inzwischen den Hof an den Sohn Martin übergeben hat. Es gibt keine Gerätschaften aus dem Katalog, die Nüsse in Tonnen-Maßstab knacken, zerkleinern oder rösten. Fritz Stiegler baut um, passt an und justiert nach. Geröstet werden die Nüsse mit einem Kaffeeröster, der leicht modifiziert wurde. Anbau, Verarbeitung und Vermarktung greifen ineinander. 

Für solche Verbindungen erhielt der Betrieb etwa 2018 den Deutschen Landbaukultur-Preis. Ferner wurde er zum „Landwirt des Jahres 2023“ gekürt. Filme im Regionalfernsehen haben den Betrieb weit über Franken hinaus bekannt gemacht.

Die Stieglers lassen sich sowieso gerne über die Schulter schauen: Besucher kommen aus Nah und Fern, um diese Verarbeitungsprozesse mitzuerleben. Wenn dann Ernte und Verarbeitung wieder so richtig läuft – in diesem Jahr ab dem 8. Oktober – können Gruppen bei einer rund zweistündigen Führung alles genau miterleben. Vom Bauernverband bis zur Volkshochschule werden da auch unterschiedliche Zielgruppen angesprochen. In diesem Herbst war das Interesse so groß, dass bereits alle Termine ausgebucht sind. 

Energie von morgen

Doch Martin Stiegler plant über den Alltag hinaus: Als dritte Etage über Hühnern und Haselnüssen könnte er sich eine Agri-Photovoltaikanlage vorstellen, die diese direkt beschatten kann. Da würde er auch gerne austesten, ob die lichtdurchlässigen Module, die „Sonnenbrand“ bei Früchten reduzieren, dies auch bei Nüssen tun. Doch aktuell lohnen sich die Investitionen für ihn nicht – zu gering die aktuellen Förderprogramme.

Insgesamt sieht er die bürokratischen Hürden ziemlich kritisch. Denn das Ausfüllen von Formularen und Anträgen kostet Zeit und Energie. Er beklagt auch die fehlende Lobby für sein Herzensprodukt – zu wenig Kollegen. Dabei sprechen die klimatischen Veränderungen zunehmend für den heimischen Anbau. 

Für die Stieglers ist die Nuss mehr als ein Produkt. Sie steht symbolisch für eine Landwirtschaft, die widerstandsfähig, divers und innovativ ist. Sie verbindet regionale Tradition mit globalen Märkten, nachhaltige Produktion mit Genuss. Der Hof von Martin Stiegler in Gonnersdorf zeigt, wie Landwirtschaft in Zeiten des Wandels aussehen kann: regional verankert, nachhaltig gedacht und offen für Zukunftstechnologien. Doch bis dahin ist sicher noch manche Nuss zu knacken.

Mehr: https://www.franken-genuss.com. Dort auch der Online-Shop, der ab Anfang Oktober neu bestückt wird.