Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über das stille Tun guter Werke
Was hilft’s, Brüder und Schwestern, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen? Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und Mangel hat an täglicher Nahrung und jemand unter euch spricht: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was hilft ihnen das? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber. … Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.
Jakobus 2,14–17.26
Eine Szene: Ein alter Teufel weist seinen Neffen ein. „Wir brauchen keine Katastrophen, keine großen Schläge“, sagt er. „Halte die Menschen im Lärm. Wenn nötig, brüll. Brüllen verengt das Blickfeld. Wer eingeschüchtert ist, verliert die Klarheit.“ Dieses Bild, inspiriert von C. S. Lewis’ „Dienstanweisungen an einen Unterteufel“, wirkt erschreckend aktuell. Unsere Zeit ist laut. Von allen Seiten ruft es: „Hab Angst!“, „Reagiere sofort!“, „Gib auf!“ – ein Dauerbrüllen, das verunsichert.
Der Jakobusbrief setzt dem etwas entgegen. Eine Aufforderung wie „Geht hin in Frieden!“ – ohne Mantel, ohne Brot, ohne Beistand – ist hohl. Ein Glaube, der nur redet, bleibt leer. Jakobus erinnert an Abraham und Rahab: Ihr Vertrauen auf Gott wurde erst sichtbar, als sie handelten. Glaubwürdigkeit zeigt sich nicht im Brüllen, sondern in Taten.
Und was heißt das für Kirche? Sie darf keine Schablone sein, reduziert auf Programme. Kirche ist mehr. Sie ist wie eine Stadt auf dem Berg (Mt 5,14): sichtbar, bunt, eigenwillig. Eine Stadt lebt von ihrer Vielfalt: Plätze, Straßen, Mauern. Kirche gewinnt Strahlkraft, wenn sie so verlässlich ist.
Die Kirche meiner Vision lebt aus der Haltung: verletzlich, mutig, hoffnungsfroh. Verletzlich – weil sie ihre Begrenztheit nicht verdrängt, sondern offenlegt. Sie zeigt ihre Narben und gewinnt so Nähe. Mutig – weil sie Konflikte nicht verschweigt und klare Worte gegen Ungerechtigkeit findet. Sie wagt Wandel, ohne ihre Mitte zu verlieren. Hoffnungsfroh – weil sie auf die Kraft des Evangeliums vertraut, die stärker ist als Angst.
Kirche ist kein Selbstzweck. Sie trägt Verantwortung für Orientierung und Halt. Institutionen sind ein „Konto der Weisheit“, gespeist aus den Erfahrungen vieler Generationen. Dieses Guthaben dürfen wir nicht verspielen. Darum gehören Bewahren und Verändern zusammen. Daraus ergibt sich eine Kirche, die moralische Mitte ist, gegründet im Evangelium; ein Resonanzraum, in dem Tradition und Gemeinschaft lebendig sind; eine Netzwerkerin, die Diakonie, Bildung und Ehrenamt verbindet.
So widersteht Kirche dem Brüllen des Zeitgeists: nicht indem sie selbst lauter wird, sondern indem sie glaubwürdig lebt. Vielleicht wird das Brüllen nicht verstummen. Aber wir müssen nicht im Takt dieses Lärms gehen. Wir orientieren uns an der Stadt: verletzlich, mutig, hoffnungsfroh. Wenn das Brüllen wieder laut wird, erinnern wir uns an die Szene von Onkel und Neffe: Zwei Teufel, die uns im Lärm gefangen halten wollten. Doch jetzt kennen wir ihre Taktik. Wir müssen nicht mitspielen. Wir können leise, aber glaubwürdig Kirche sein.
Dekan Manuél Ceglarek, Bayreuth, Region Nordost
Gott, mach deine Kirche verletzlich, mutig und hoffnungsfroh – ein Licht inmitten des Lärms.