Keine Abrechnung, sondern Zuwendung

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zu den Forderungen zu Bergpredigt

Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen. Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht. Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück. Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch! Und wenn ihr liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? (…) Vielmehr liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. (…) Vergebt, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben. (…) Denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen. 

Aus Lukas 6,27–38

Gott ist kein Krämer-Gott“ sagt ein alter Pfarrerskollege zu mir. Und in der Tat ist es schwer vorstellbar, dass der Allmächtige da sitzen soll und fein säuberlich alles aus unserem Leben mitprotokolliert, was da so vorkommt. Um uns dann hinterher die Rechnung zu präsentieren. Uns Menschen wäre so eine Vorstellung nah, denn wir haben einen starken Sinn für Ausgleich und verstehen das als Gerechtigkeit. Ob das aber im Leben so zutrifft und zu Gottes Leben passt?

Zu Jesu Botschaft jedenfalls passt solches Aufrechnen nicht. Er macht uns hier in der Feldrede bei Lukas (die weitgehend der Bergpredigt im Matthäusevangelium entspricht) klar, dass es nicht immer um die oder den Anderen geht. Sondern erst einmal um mich selber und meine Lebenseinstellung. Ich soll – nein – ich darf mich Anderen zuwenden, ohne immer einen Ausgleich zu erwarten. Der schließlich kommt dann oft ganz von selbst. 

„Liebt Eure Feinde und tut wohl denen die Euch hassen“ – da komme ich auf einmal aus der Wut in die Freiheit. Feindschaft und Hass bestimmen nicht mehr meine Handlungen sondern der Respekt und das Wohltun. Oder eben das Geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. 

Die Botschaft Jesu befreit mich von den negativen Gedanken und bringt mich zur Zuwendung. Der Kreislauf der Gewalt wird unterbrochen. So befreit kann ich die Botschaft von dem anderen Maßstab Gottes für unser Zusammenleben auch gut weitertragen. Schritt für Schritt in meinem persönlichen Leben.

Ich lese aus Jesu Worten auf jeden Fall den Respekt heraus für alle Menschen, die mir begegnen. Eben auch für diejenigen die sich feindlich oder hasserfüllt zeigen. Und beim respektvollen Abwägen finden sich sicher Möglichkeiten für neue Wege, die zum Frieden führen.

Peer Mickeluhn, Pfarrer im Schuldienst und Notfallseelsorger im Dekanat Bad Tölz

Lied: 648, 1–3: Wo ein Mensch Vertrauen gibt