Lauter kleine Wunder unterwegs

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Inge Wollschläger Editorial Hintergrundbild Kraus

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger

Eigentlich sollte es ein Urlaub zu zweit werden. Alles war geplant – die Route, die Ausflüge, das Frühstück mit Blick aufs Meer. Doch kurz vor der Abreise kam alles anders: Meine Reisebegleitung wurde krank. Und plötzlich stand ich da, allein mit Koffer, Vorfreude – und ein bisschen Unsicherheit.

Ich fuhr trotzdem. Und was dann geschah, war für mich schon fast wie lauter kleine Wunder. Denn kaum war ich unterwegs, begegneten mir Menschen, die mir den Weg leichter machten.

Da war die ältere Dame, die mir half, den richtigen Anschluss zu finden, als ich ratlos auf den Flugplan starrte. Da war der Kellner in einer Kneipe, der mir, als ich allein am Tisch saß, mit einem freundlichen Lächeln einen Kaffee brachte – „den spendiere ich Ihnen!“ Und das Ehepaar auf einer Wanderung, das sagte: „Kommen Sie mit, zu dritt läuft’s sich schöner.“

Es sind diese kleinen, eher unscheinbaren Momente, in denen man spürt: Freundlichkeit ist überall. Sie fällt nicht laut auf, sie will nichts zurück. Und doch trägt sie – ganz still – durch den Tag.

Oft hört man in den Nachrichten, die Welt sei kalt geworden, die Menschen rücksichtslos. Und sicher ist vieles daran richtig. Aber das stimmt auch nicht ganz.

Vielleicht sind wir einfach zu selten still genug, um das Gute wahrzunehmen. Denn wer offen ist, wer wagt, um Hilfe zu bitten oder ein ehrliches „Ich weiß nicht weiter“ auszusprechen, erlebt meist das Gegenteil von Kälte: Nähe, Verständnis, Wärme.

Freundlichkeit ist kein Zufall. Sie beginnt da, wo wir uns zeigen, wie wir sind – mit unseren kleinen Unsicherheiten und großen Hoffnungen. Und sie kehrt zurück, oft genau dann, wenn wir sie am dringendsten brauchen.

Aus der Sonne des Urlaubs kam ich zurück in die graue Jahreszeit.  Die Tage sind kurz, der Himmel vor Hochnebel selten zu sehen. Und doch trage ich derzeit ein inneres Licht in mir: die Erinnerung an Begegnungen, an unerwartete Freundlichkeit, an das stille Wissen, dass Gott in diesen Momenten spürbar ist – im Lächeln eines Fremden, in einer helfenden Hand.

Vielleicht ist das ja das Schönste, was man von einer Reise mitbringen kann: die Zuversicht, dass Freundlichkeit weiterreist – von Mensch zu Mensch, von Herz zu Herz.