Abenteuer der Ankunft

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Raimund Kirch als Ex-Chefredakteur der NZ und Mitglied im Herausgeberbeirat
Raimund Kirch als Ex-Chefredakteur der NZ und Mitglied im Herausgeberbeirat

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Raimund Kirch

„Wir sagen Euch an den lieben Advent“, heißt es in einem Kirchenlied aus den 1950er Jahren. In den vier Strophen wird der Weg bis Weihnachten am Entzünden der vier Adventskranzkerzen dargestellt. Das kann eine abenteuerliche Reise werden, wie aus dem Wortstamn zu erschließen ist. 

Das deutsche Wort Abenteuer leitet sich nämlich just vom lateinischen „Adventus“ (Ankunft) und dem Verb „advenire“ ab, das eine ungewisse Unternehmung beschreibt. Also quasi eine Reise aus einem gewohnten Bereich in unbekanntes Land. 

Übertragen auf die gegenwärtige politische Situation ist das eine treffliche Beschreibung. Die Klimaerwärmung lässt nicht Gutes ahnen, während der verheerende Krieg im Osten Europas anhält. Bei alledem scheint das Vertrauen in Regierung, Parlament und Verwaltung erschüttert zu sein. Zumindest gewinnt man den Eindruck bei der gegenwärtigen Nachrichtenlage. 

Und ich frage mich, warum man an allen Ecken und Enden nur immer wieder die oberflächliche Kritik hört, dass Politik und Medien den Bezug zur „normalen“ Bevölkerung verloren hätten und nur noch Probleme gewälzt würden, die niemand mehr versteht. 

Ich halte diese Stimmung für bedenklich, denn immerhin leben wir in einer funktionierenden Demokratie, wir haben den Gipfel unseres materiellen Wohlstands erreicht und müssen uns jetzt daran machen, den Wohlstand neu zu definieren. 

Dieser Advent könnte Anlass dazu sein. Wir müssen mehr miteiander reden, essen, kulturprägende Veranstaltungen erleben und: glauben. Ich empfinde es in diesem Zusammenhang als große Ehre, eine selbstverfasste Geschichte bei einer Adventsfeier vortragen zu dürfen. Sie dreht sich um Maryam und Jussuf, ein Flüchtlingspaar aus Syrien – sie schwanger, er fürsorglich –, die auf Herbergssuche sind. 

Keine „g´fühlige“ und nach Bratäpfeln duftende Geschichte. Aber mit einem Hoffnungsschimmer. Ich bewundere den Mut und die Abenteuerlust unserer Kirchengemeinde, sich darauf einzulassen und wünsche mir dieselbe Neugier und Bereitschaft, sich auf andere Meinungen einzulassen – auch in Gesellschaft und Politik. Dazu muss man sich Zeit nehmen, Engagement entwickeln in Vereinen und Nachbarschaften. Nur so lässt sich gesellschaftlicher Zusammenhalt aufrechterhalten.