Im Advent die „Kleider des Lichts“ anlegen

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Adventliche Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. Und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst (3. Mose 19,18): „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Die Liebe tut nichts Böses. So ist die Liebe des Gesetzes Erfüllung. Das tut, weil ihr die Zeit erkannt habt, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Zieht an den Herrn Jesus Christus.

Aus Römer 13,8–12 (14a)

Einmal in der Woche ist unser Briefkasten mit Werbeprospekten gefüllt. Lästig, möchte man denken, doch ein Blick durch die Angebote zeigt einem, was denn gerade je nach Jahreszeit so angesagt ist. Ein Renner scheint in der Vorweihnachtszeit seit ein paar Jahren der Weihnachtspullover zu sein: Rentiere, Lebkuchen oder Weihnachtsbäume schmücken mehr oder weniger geschmackvolle Kleidungsstücke. 

Die Verbindung von Festzeiten und besonderen Kleidungsstücken ist allerdings nicht neu. Kein geringerer als der Apostel Paulus fordert uns an diesem 1. Advent zu einem Kleiderwechsel auf: „So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ Und zwei Verse später: „Zieht an den Herrn Jesus Christus!“

Auch wenn dieses neue Kleidungsstück auf den ersten Blick eher abstrakt erscheint, so macht der adventliche Kleiderwechsel doch auf die bevorstehende Veränderung aufmerksam. Im Advent, da verändert sich etwas. Nach den eher dunklen und gedrückten Tagen am Ende des Kirchenjahres, will sich nun das Licht breit machen. Es will sich um uns legen, wie ein Kleidungsstück, will die Finsternis ablösen. Das geschieht meist nicht mit einem grellen Spotlight von jetzt auf gleich, sondern ganz behutsam und langsam. Mit jeder Kerze, die wir am Adventskranz anzünden, wird es etwas heller. Mit jedem Licht wird etwas mehr von dem Kleidungsstück sichtbar, das der Glaube uns schenkt: Gottes Mantel der Liebe! 

Es geht nicht darum, die Wirklichkeit zu beschönigen – dazu ist sie viel zu bestimmend. Kriege, Ungerechtigkeiten und scheinbar überfordernde Veränderungen prägen unser tägliches Leben. Ihnen gegenüber steht die Suche nach Verlässlichkeit und die Sehnsucht nach Hoffnung. Wer verunsichert ist, sehnt sich nach klaren Maßstäben.

Wer Gottes Mantel der Liebe anzieht, trägt beides auf seiner Haut: die an der Wirklichkeit angelehnten Maßstäbe, die Gott uns für ein gutes Zusammenleben geschenkt hat, und die Kraft seiner Liebe, die meine Nächsten und mich selbst umschließt. Gottes Liebe beschönigt nichts und sie verklärt nichts. Aber sie hilft mir, daran festzuhalten, dass es anders sein kann – wie ein kleines Licht in der dunklen Nacht, das immer heller wird, je näher ich komme. 

Genau diese Hoffnung kann ich spüren, wenn ich mich auf den adventlichen Kleiderwechsel einlasse. Und ob man das nun durch das Tragen eines Weihnachtspullis oder durch das Entzünden von Kerzen am Adventskranz zum Ausdruck bringt, ist am Ende wohl Geschmackssache – wichtig ist, dass deutlich wird, da verändert sich was! 

Denn Advent, das ist Veränderung; das ist der Einbruch des Lichts in die Dunkelheit; das ist das Festhalten an der Kraft der Liebe; das ist die Verbindung von Himmel und Erde – in aller Vorläufigkeit und in aller Zerbrochenheit dieser Welt. Und mit dieser Hoffnung beginnt das neue Kirchenjahr – das sind doch mal schöne Aussichten!

Hanns Hoerschelmann, Direktor DMin von Mission EineWelt

Gebet/Lied: EG 16,1: Die Nacht ist vorgedrungen …