
Regionalbischöfin Bornowski sieht die Kirche auch in dunklen Zeiten auf einem guten Weg
„Ich brauche die Adventszeit jedes Jahr“, gestand Regionalbischöfin Gisela Bornowski im Gespräch mit dem Evangelischen Sonntagsblatt. Die Wochen vor Weihnachten, in denen Kerzen das frühe Dunkel durchbrechen, seien für sie der Moment, in dem die alte Zusage neu aufscheint: „Die Hoffnung auf Christus als Licht der Welt“, die die Vorweihnachtszeit bestimmt, wecke in ihr immer wieder neu „Begeisterung über Gottes Tun“. Es ist eine Kraft, die sie auch gerade jetzt trägt, da sich in der Kirche so vieles verändert.
Während in dieser Jahreszeit wohl die Sehnsucht nach Geborgenheit und Zugehörigkeit in eng verbundenen Kreisen steigt, wirken manche ländliche Regionen oft stiller als früher. Geschlossene Wirtshäuser und Bäckereien prägen das Bild – und immer häufiger auch verschlossene Kirchentüren. In kleinen Gemeinden wird es schwieriger, regelmäßige Gottesdienste zu gestalten oder ein aktives Gemeindeleben aufrechtzuerhalten. Im Advent wird besonders sichtbar, wie Sehnsucht nach Beheimatung und neue Erwartung ineinandergreifen.
Wanderndes Gottesvolk
Regionalbischöfin Gisela Bornowski verwies im Gespräch auf biblische Bilder, die gerade in dieser Zeit eine neue Deutungskraft gewinnen. Das wandernde Volk Israel, die Jünger, die Jesus in die Ungewissheit der Wege folgten – und die Eltern Jesu, die kurz vor der Geburt ihres Kindes unterwegs waren und nur einen behelfsmäßigen Unterschlupf fanden.
„Alles ist im Fluss“, sagt Bornowski. „Es ist eine Illusion, dass Kirche ein Hort der Beständigkeit bleibt.“ Ende 2026 hört sie als Regionalbischöfin auf – ebenso ihre Nürnberger Kollegin Elisabeth Hann von Weyhern. Es entsteht, wie von der Landessynode beschlossen, ein großer Kirchenkreis „Franken“ aus den bisherigen drei nördlichen Kirchenkreisen Bayerns.
Die Bayreuther Regionalbischöfin Berthild Sachs wird diesen neuen Kirchenkreis im Norden leiten und dies – ähnlich der Struktur im südbayerischen Kirchenkreis – im Team mit einer neuen Kollegin oder einem neuen Kollegen mit Dienstsitz in Ansbach. Unterfranken werde sich stärker Richtung Bayreuth orientieren, Nürnberg eher nach Ansbach.
So stellt sich die Evangelische Kirche in Bayern auch in der großen Fläche den Herausforderungen des Wandels: Jährlich treten etwa 45.000 Menschen aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern aus – mehr, als die Stadt Ansbach Einwohner hat. „Auch Kirchennahe haben keine Scheu mehr davor“, beobachtet Bornowski. Mehr Gläubige sterben als getauft werden.
Die finanziellen und personellen Folgen waren schon vor der Synode genau berechnet: Bis 2035 wird mit 40 Prozent weniger Mitgliedern und Einnahmen sowie 25 Prozent weniger Hauptamtlichen gerechnet. „Es kann sich noch niemand vorstellen, wie es in zehn Jahren aussehen wird“, so Bornwoski. Trotzdem müssen heute die Weichen gestellt werden.
Vor Ort ist inzwischen der Wandel allzu gegenwärtig: Geistliche wohnen oft mehrere Orte entfernt und können höchstens noch einmal im Monat einen Gottesdienst in jedem Ort halten. In den Jahren zwischen 2019 und 2035 nimmt das Pfarrpersonal etwa um 40 Prozent ab. Es gehen mehr Geistliche in den Ruhestand als neu ihren Dienst beginnen. „Es ist kein böser Wille, dass Stellen unbesetzt bleiben“, meint Bornowski. Stellen, die bereits länger verfügbar sind, kommen zuerst in den Blick. Oder man blickt mehr auf die Vorlieben und Bedürfnisse der Neuen.
Bleibt Kirche lebendig?
Doch wenn die warme Atmosphäre der heimatlichen Dorfkirchen schwindet, treten dann nicht noch mehr Menschen aus der Kirche aus? Wie kann Kirche unter diesen Bedingungen lebendig bleiben oder gar Zukunft gewinnen? „Die nächste Generation ist wohl weniger daran gebunden“, hofft Bornowski. Sicher kann es auch in Zukunft an einigen kleineren Orten eine lebendige Gemeinde geben, aber „eher punktuell“. Andere Dorfgemeinden ohne engagierte Ehrenamtliche oder eine lebendige Gemeinschaft würden sich neu orientieren. Sie ist überzeugt, dass die kommende Generation sich weniger an traditionelle Ortsgrenzen bindet. Immer mehr Menschen pflegen ohnehin Netzwerke, die über das eigene Dorf hinausreichen.
Rechtlich sollen die Kirchengemeinden weiterhin bestehen bleiben. Daneben entstehen Regionalgemeinden mit eigenen Kirchenvorständen, die Verwaltungs- oder Baufragen bündeln. Für die Hauptamtlichen gehört Teamarbeit dazu: Alle sollen gemäß den eigenen Stärken eingesetzt werden. Beziehungsarbeit in einzelnen Bereichen wird wichtig und kann auch auf die Kasualien ausgreifen. Eine Diakonin etwa arbeitet glücklich mit jungen Familien – „ohne dass jemand beargwöhnt wird, wenn sie Erfolg hat“.
Mit diesen neuen Strukturen soll Kirche näher an den Menschen bleiben – auch wenn die Wege sich verändern: klare Zuständigkeiten, verständliche Wege, verlässliche Erreichbarkeit. Ein zentrales Regionalbüro könne künftig helfen, Anliegen und Ansprechpartner unkompliziert zu vermitteln.
Advent als Zuspruch
Gisela Bornowski möchte in ihrem verbleibenden Jahr noch einmal alle Pfarrkonferenzen besuchen, sofern dies nicht gerade erst geschehen ist, und Fusionen von Gemeinden und Dekanaten begleiten. Auch verbindende Projekte zwischen den bisherigen Kirchenkreisen sind ihr wichtig – etwa rund um die Markgrafenkirchen beider Regionen, die geschichtlich und kulturell zusammengehören. Obwohl „so viele Prozesse gleichzeitig laufen“, sieht sie ebenfalls, wie eng Themen wie Personal, Gebäude, Klimaschutz, Gemeindestrukturen ineinandergreifen.
Gisela Bornowski tritt da ausdrücklich „Untergangsszenarien“ entgegen. Ihr ist wichtig: „Wir Menschen sind nicht die Retter der Welt.“ Der Advent erinnere daran, dass Christen auf Gottes Handeln vertrauen dürfen – und dass Gott zu uns unterwegs ist. Zugleich ist das Gottesvolk Teil einer neuen Welt, die Gott verheißt.
Dabei weitet sie den Blick auf die Jahreslosung (Offenbarung 21,5) für 2026: „Siehe, ich mache alles neu“ (zu deren Auslegung vgl. Seite 19). Dass das wandernde Gottesvolk auf Wegen unterwegs sei, deren Ziel man oft erst später erkennt, kann auch Mut machen – gerade jetzt, im weihnachtlichen Licht.



























