Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zum neuen Jahr 2026
Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN und einen Tag der Rache unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden, zu schaffen den Trauernden zu Zion, dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauer, schöne Kleider statt eines betrübten Geistes gegeben werden, dass sie genannt werden „Bäume der Gerechtigkeit“, „Pflanzung des HERRN“, ihm zum Preise. Ich freue mich im HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt. Denn gleichwie Gewächs aus der Erde wächst und Same im Garten aufgeht, so lässt Gott der HERR Gerechtigkeit aufgehen und Ruhm vor allen Völkern.
Jesaja 61,1–3, 10–11
Auf ein gutes, auf ein besseres“. Mit frommem Ernst und eben diesen Worten pflegte mein Vater das jeweils neue Jahr beim Abschied vom alten zu begrüßen. Mit der Silvesterknallerei konnte er wenig anfangen. Kein Wunder – er war im Krieg geboren, sein Bedarf an Explosionen war ein für allemal gedeckt. Und überschwängliche Gefühlsausbrüche waren vielen dieser Generation ohnehin fremd. Stattdessen vornehme Zurückhaltung. Dass das neue Jahr gut wird, dafür wäre man dankbar. Und wenn es dann sogar noch besser wird, als das letzte … Bescheidenheit ist eine Zier. So war das bei vielen aus dieser Generation – mit einer harten Lebensschule als Gepäck.
Die fast euphorische Ansage des Propheten Jesaja, die am Anfang diesen neuen Jahres 2026 steht, wäre seines nicht gewesen. Er hätte sie vor allem theologisch-historisch eingeordnet. Wer, wie das Volk Israel, damals im Exil lebte, braucht eine große Vision. Wer durchhalten muss braucht Motivation, darum sind Jesajas Worte so wichtig. Und ja, das gilt auch für uns als seine Kirche. Auch wir sind auf einem langen, manchmal mühevollen Weg. Deswegen gilt dieser Bibelabschnitt auch für uns. Auch wir brauchen immer wieder Ermutigung und Zuspruch. Soweit alles richtig.
Aber die Kraft dieser gewaltigen Worte Jesajas auch bei sich spüren?
Ich bin nicht mein Vater. Aber hier bin ich ihm nahe. Unser Volleyballtrainer früher pflegte Motivationsansprachen in der Kabine zu halten. Meist wusste er schon warum.Kein Motivationsseminar kommt heutzutage ohne einen Selbstbegeisterungsteil aus. Christsein ist aber kein verkapptes Seminar für positives Denken: Du musst eben nur wollen. Unser Glaube ist vielmehr eine lebenslange und Leben prägende Grundhaltung. Nicht mentaler Sprint, sondern geistlicher Marathon. So verstehe ich Jesaja.
Er ahnt, dass die Durststrecke seines Volkes noch Jahre dauern kann. Aber ohne ein Ziel – ich nenne es Verheißung – geht einem vollends die Luft aus. Die Rückkehr Israels kam auch nicht über Nacht. Und für uns als Kirche bricht auch nicht morgen schon das Reich Gottes an. Aber Stück für Stück, Kilometer um Kilometer sind wir auf dem Weg, kommen ihm Jahr für Jahr näher.
Darum: Auf ein gutes neues Jahr 2026. In aller Bescheidenheit, die steht uns als Christen gut an. Und in der Hoffnung und mit der Bitte um ein besseres Jahr. Es muss nicht gleich das Beste sein.
Denn das kommt ja noch, eines Tages – so ist es uns verheißen! Und darüber freue ich mich jetzt schon.
Dr. Markus Ambrosy, Dekan in Fürstenfeldbruck




























