Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über die Heilungstaten der Apostel
Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. Und es wurde ein Mann herbeigetragen, der war gelähmt von Mutterleibe an; den setzte man täglich vor das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben.
aus Apg 3,1–10
Wir sind hier nicht bei WÜNSCH DIR WAS, sondern bei SO ISSES!“ Der Sponti-Spruch steht auf vielen Blechschildern in den Andenkenläden. So isses – ja und Amen. Man muss die Realitäten anerkennen, wie sie sind. Immer schön auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Ausdruck eines Wirklichkeitssinns, der Stabilität und Sicherheit verheißt und manchmal hilft zu überleben. Es ist, wie es ist.
So auch in der Heilungsgeschichte: Tag für Tag die gleiche Realität für den von Geburt an gelähmten Mann. Nicht agil beweglich sein, nicht auf eigenen Füßen stehen können, keine Selbst-Ständigkeit, am Boden sitzend, draußen vor der Tür. Aber immerhin: Mit Hilfe von anderen kann er Betteln, Vorbeigehende um Almosen bitten. So isses!
Der Gelähmte spricht Petrus und Johannes an, wie er schon Unzählige andere angesprochen hat. Aber statt einer erhofften Münze wird ihm ein Blick, ja Ansehen geschenkt.
Und eine Aufforderung: Sieh uns an! Blicke begegnen sich. Was dann passiert, ist eine Aufhebung der Schieflage. Ein Blickkontakt auf Augenhöhe, der selbst das Unmögliche möglich macht. Ein Zuspruch, ein aufrichtender Handgriff und der Gelähmte kommt in seiner eigenen Größe, bekommt Stabilität in die Füße, kann auf eigenen Füßen stehen und sich bewegen, ja tanzen. Auch, wenn es nicht Gold und Silber ist, was die beiden dabei haben und weiterzugeben haben. Es ist die lebensverändernde Botschaft Jesu. Diese sieht die Realität an, richtet auf, macht standfest, beweglich, bringt ins Laufen, schenkt neue Möglichkeiten.
Realitäten und Optionen: „Wenn es einen Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch etwas geben, was man einen Möglichkeitssinn nennen kann.“ schreibt Robert Musil in seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“. In diesem Sinn ist Jesus die Verkörperung des Möglichkeitssinns. Und wir als Menschen in Jesu Nachfolge können ebenso die Realitäten auch für unsere Umgebung verändern. Das ist mehr als Gold und Silber. So kann es sein. Ja und Amen.
Christine Ursel, Leiterin des „forum erwachsenenbildung“ im Nürnberger „eckstein“.