Tätige Ökumene in der Tradition von Nizäa

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Treffen des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah El-Sisi (Mitte) mit der Führung des Ökumenischen Rates der Kirchen und der Koptischen Kirche während der Ökumenekonferenz. Foto: Büro des Präsidenten von Ägypten/ÖRK
Treffen des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah El-Sisi (Mitte) mit der Führung des Ökumenischen Rates der Kirchen und der Koptischen Kirche während der Ökumenekonferenz. Foto: Büro des Präsidenten von Ägypten/ÖRK

Kirchenkonferenz in Ägypten fordert Taten für Glauben, Mission und Einheit

Die Kirche müsse ihren Worten über Ökumene und Einheit endlich Taten folgen lassen – das war der Tenor der Sechsten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung, die Ende Oktober im ägyptischen Wadi El Natrun stattfand. Rund 400 Delegierte aus allen Weltregionen und Konfessionen, die im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) zusammengeschlossen sind, kamen dort zusammen, um über den Weg der weltweiten Christenheit in Zeiten von Konflikt und Spaltung zu beraten.

Die Konferenz stand im Zeichen des 1.700. Jubiläums des Konzils von Nizäa (325 nach Christi), das als Schlüsselmoment für die Geschichte des christlichen Glaubens gilt. In dieser Tradition suchte die Tagung nach neuen Wegen, die Einheit der Kirchen nicht nur zu bekennen, sondern sichtbar werden zu lassen – in Worten, im Handeln und im gemeinsamen Gebet.

Neben theologischen Debatten und Plenarsitzungen hatte die Konferenz auch eine geistliche Dimension. Teilnehmende sowie junge Theologinnen und Theologen des internationalen Studienprogramms GETI (Global Ecumenical Theological Institute) konnten in dem koptischen Zentrum Anaphora spirituelle Impulse gewinnen. Bewegt zeigte sich dort ÖRK-Repräsentant Bischof Professor Dr. Heinrich Bedford-Strohm,: Die Begegnungen dort hätten eindrücklich vor Augen geführt, dass Glaube, Gebet und konkrete Zusammenarbeit keine Gegensätze seien, sondern sich gegenseitig befruchten.

Treffen mit Präsident El-Sisi

Auch Ägyptens Präsident Abdel Fattah El-Sisi empfing eine ÖRK-Delegation zu einem ausführlichen Gespräch. Neben dem ÖRK-Generalsekretär Professor Dr. Jerry Pillay nahmen Heinrich Bedford-Strohm als Vorsitzender des ÖRK-Zentralausschusses und seine Stellvertreter Pfarrerin Merlyn Hyde Riley sowie Erzbischof Vicken Aykazian daran teil. Ebenfalls anwesend waren der ägyptische Außenminister Badr Ahmed Mohamed Abdelatty, Papst Tawadros II. von der Koptisch-Orthodoxen Kirche, Metropolit Thomas von al-Qusiya und Mir sowie Bischof Abraham aus der Diözese Los Angeles, Südkalifornien und Hawaii.

Präsident El-Sisi begrüßte die vom ÖRK ausgerufene „Ökumenische Dekade für Klimagerechtigkeit“. Er lobte den Einsatz der Kirchen für ökologische Transformation, Friedensinitiativen und politische Stabilität. Zudem äußerte er seine hohe Wertschätzung für Papst Tawadros II. und die koptische Kirche, die in Ägypten eine besondere Rolle spiele. El-Sisi selbst gilt als praktizierender Muslim, sieht sich aber auch in der Nachfolge des eher nationalistisch-säkularen Präsidenten Gamal Abdel Nasser.

Die ÖRK-Delegation dankte dem Präsidenten für sein Engagement, die freie Religionsausübung aller Glaubensgemeinschaften zu fördern sowie für Ägyptens Initiativen zur Waffenruhe im Nahen Osten. Auch die Aufnahme von Geflüchteten in Ägypten sowie der Schutz von Menschen sollen nach ÖRK-Angaben angesprochen worden sein. 

„Der Präsident nahm sich mehr Zeit für unseren Besuch, als wir erwartet hatten“, berichtete Bedford-Strohm. „Sein authentischer, geistlich geprägter Appell für religiöse Toleranz hat uns sehr beeindruckt.“ Die koptischen Vertreter hätten bestätigt, dass sie sich in ihrem Land gut geschützt fühlten. Bedford-Strohm betonte, das Gespräch sei von gegenseitigem Respekt und aufrichtiger Anteilnahme geprägt gewesen und habe „Ermutigung gegeben – für die Zukunft Ägyptens und die Arbeit der Kirchen“, so Bedford-Strohm. Er fügte hinzu: „Unser Besuch lässt uns zuversichtlich auf die Zukunft Ägyptens und die Arbeit der Kirchen schauen.“

Auch Generalsekretär Jerry Pillay sparte nicht an lobenden Worten über das Gespräch mit El-Sisi, obwohl sich dieser 2015 an die Macht putschte und seitdem seine Herrschaft durchaus repressiv ausbaute. Pillay sprach von einem „außerordentlich eindrucksvollen, erhellenden und inspirierenden“ Austausch. 

Ökumenischer Aufruf

Zum Abschluss der Konferenz formulierten die Delegierten das Ökumenische Bekenntnis „Einheit vertiefen, in Liebe unterwegs sein, Hoffnung wiederherstellen“ sowie einen Aufruf an alle Christen. Darin erinnerten sie an die lange religiöse Tradition Ägyptens und der gesamten Region. „Uns ist bewusst, dass hier in Afrika und im Nahen Osten, wie auch an anderen Orten der Welt, viele Menschen – darunter auch Christinnen und Christen – Verfolgung, schrecklicher Gewalt, existenzieller Bedrohung, Entmenschlichung und Missachtung der Menschenrechte ausgesetzt sind.“

Nach einem Jahrhundert ökumenischer Arbeit, so die Erklärung, seien die Kirchen in vielen Fragen näher zusammengerückt. Dennoch bleibe der Weg zur sichtbaren Einheit eine gemeinsame Aufgabe. Im Zentrum stehe der Glaube an den dreieinigen Gott, der nicht nur ein zu bewahrendes Erbe sei, sondern „lebendiges Wasser, das in Wort und Tat weitergegeben werden soll“.

Mission und Verkündigung seien weiterhin „in der Wesensidentität der Kirche verwurzelt“. Zugleich erinnerten die Teilnehmenden an die Schatten der Geschichte, in der Mission oft mit Kolonialismus, Versklavung und Machtmissbrauch verbunden war. Heute müsse sie von Umkehr, Gerechtigkeit, Entkolonialisierung und Versöhnung geprägt sein.

Einheit, so betonte die Erklärung, sei mehr als bloße Übereinstimmung – sie sei Gemeinschaft. Sie wurzle in der Taufe, werde im gemeinsamen Gebet sichtbar und wachse in der gegenseitigen Anerkennung kirchlicher Ämter sowie im geteilten Abendmahl. Sichtbare Einheit entstehe dort, wo Christinnen und Christen gemeinsam handeln, Glaube, Hoffnung und Liebe leben und Solidarität mit den Ausgegrenzten zeigen – mit Menschen, die unter Armut, Diskriminierung oder ökologischer Zerstörung leiden.

Das Nizänische Glaubensbekenntnis, altehrwürdig und doch stets eine neue Herausforderung, erinnere daran, dass die Kirchen eine gemeinsame Gabe und Berufung zur vollen sichtbaren Einheit teilten. Diese Einheit wolle die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung im Leben der Kirchen sichtbar werden lassen – durch vertieftes Verständnis und gemeinsames Bekenntnis. So rief die ÖRK-Konferenz die Kirchen dazu auf, wieder neu auf den Heiligen Geist zu hören und als Pilgergemeinschaft im Geist von Gerechtigkeit, Versöhnung und Liebe zu handeln, damit die Welt Gottes heilende Gegenwart erfahre.