Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zur Rettung der Kundschafter durch die Hure Rahab
Josua aber, der Sohn Nuns, sandte von Schittim zwei Männer heimlich als Kundschafter aus und sagte ihnen: Geht hin, seht das Land an, auch Jericho. Die gingen hin und kamen in das Haus einer Hure, die hieß Rahab, und kehrten dort ein. Da sandte der König von Jericho zu Rahab und ließ ihr sagen: Gib die Männer heraus, die zu dir in dein Haus gekommen sind; denn sie sind gekommen, um das ganze Land zu erkunden. Aber die Frau nahm die beiden Männer und verbarg sie.
Aus Josua 2, 1–4a
Die Kundschafter sind vorerst gerettet und die Geschichte ist schnell zu Ende erzählt: Rahab bekennt vor den Männern ihr Vertrauen zu deren Gott und bietet ihnen einen Handel an. Sie werde ihnen zur Flucht verhelfen, wenn sie und ihre Familie nach der Eroberung der Stadt unversehrt blieben. Der Handel gilt. Rahab lässt die Männer an einem Seil die Stadtmauer hinunter und als Israel Jericho einnimmt, werden Rahab und ihre Familie verschont.
Diese Geschichte ist eigentlich ziemlich frech. Als Israeliten hätten die Kundschafter weder bei einer Hure noch bei einer kanaanäischen Frau einkehren dürfen. Und Rahab erweist sich entgegen allen frommen Warnungen als anständige Retterin in der Not und legt sogar ein gut informiertes Bekenntnis zum Gott Israels ab.
Vor allem aber ist diese Geschichte frech, weil sie eine ausdrückliche Anweisung Gottes unterläuft. Dieser hatte befohlen, dass im Zuge der Landnahme Kanaans „alles, was Odem hat“ getötet werden muss (5. Mose 20, 16f). Die Vollstreckung des Banns gilt geradezu als Maßstab für den Gehorsam Israels, aber gleich die erste Kanaanäerin, die ihnen begegnet, bleibt samt Großfamilie vom Bann ausgenommen.
Woher dieser Widerspruch? Das ist die spannende Frage. Wahrscheinlich ist die Rahab-Geschichte jüngeren Datums und stammt aus einer Zeit als in Kanaan längst Multikulti gelebt wurde. Den eigenen Glauben durch das Töten aller Nicht-Israeliten rein zu halten, war keine Lösung mehr. Falls dem so ist, dann steht hinter Rahab ein Glaube, der unerschrocken neue Antworten auf neue Gegebenheiten gesucht hat. Er hat dem Reflex widerstanden, neue Herausforderungen mit alten Antworten lösen zu wollen und wagt es dabei sogar, ein überliefertes Gottesgebot infrage zu stellen.
Wohldosiert zumindest, denn die Geschichte stellt sich weder gegen Eroberungskriege noch gegen den Bann an sich. Uns ist das heute zu wenig, aber aufregend ist es trotzdem, denn auch wir erleben: Wer einen lebendigen Glauben will und kein Museumsstück, muss ihn mit der Welt im Gespräch lassen und gegebenenfalls Haltungen ändern. Öfter gibt das Streit. So etwa, als die Kirche neu über die Rolle der Frau nachdachte.
Die Erzähler der Rahab-Geschichte machen uns Mut, den Glauben fortzuschreiben und neue Antworten zu wagen im Geist des Gottvertrauens und der Liebe. Ihre Rahab ist der mutige Stachel wider den Vernichtungsbann und ein Vorbild für mehr Glaubensmut.
Jutta Holzheuer, Dekanin in Rothenburg
Gebet: Himmlischer Vater, lebendiger Gott, schenke uns Mut und Weisheit, damit wir auf die Fragen unserer Zeit Antworten finden, die in deinem Sinn sind.
Lied 395: Vertraut den neuen Wegen