
Editorial von Raimund Kirch im Evangelischen Sonntagsblatt über den Missionsbegriff
Mission, das ist ein Begriff, der so altmodisch klingt wie Fahneneid oder Treueschwur. Viele Ältere unter uns werden sich noch an eine Figur erinnern die man damals den „Nickneger“ nannte. Das war eine mit einer Münzsammelbox verbundene Figur, die mit dem Kopf nickte, wenn man ein Zehnerl hineinwarf. Uns Kindern gefiel das.
Das Wort „Dekolonialität“ mag es vielleicht schon unter Intellektuellen gegeben haben. Es spielte für uns und für die Kirche noch keine Rolle. Wir waren geprägt von Bildern aus Lambarene, wo Albert Schweitzer wirkte, von Lepra-Stationen und fröhlichen Kindern, die an den Lippen weißer Missionare und Entwicklungshelferinnen hingen.
Wir wurden erwachsen und bekamen mit, wie die heile Welt der Mission dekonstruiert wurde. Wir wurden sozusagen kolonialmissionskritisch programmiert.
Kirche musste sich den Vorwurf gefallen lassen, blind gegenüber sozialem Unrecht gewesen zu sein; Notsituationen in den armen Ländern ausgenutzt, einem ethnisch-kulturellen Überlegenheitsgefühl gefrönt, Indigene gegenüber ihrer angestammten Kultur entfremdet zu haben. Und ja, das alles hat es auch gegeben.
Viele Fehler werden bekanntlich mit dem besten Gewissen begangen. Deshalb war Gewissenserforschung auch vonnöten. Was beim Thema Mission in den großen Kirchen durchaus geschehen ist. In der evangelischen Kirche ging man zeitweise sogar so weit, den Begriff Mission zu vermeiden und ihn durch Dialog zu ersetzen. Womit meines Erachtens wieder einmal gutwillig über das Ziel hinausgeschossen wurde.
Neben der angepassten und dem jeweiligen Zeitgeist folgenden Mission hat es schließlich immer auch Männer und Frauen gegeben, die ihrem Herzen folgten. Der Dominikanermönch Bartolomé de Las Casas prangerte das Tun der Konquistadoren an; ungenannt bleiben oft jene Überzeugten, die sich gegen den Sklavenhandel wandten, Stammessprachen verschriftlichten und so zu ihrem Erhalt beitrugen.
Inzwischen hat Mission wieder einen besseren Klang, wie man auch unserer vierseitigen Beilage des Centrums für Partnerschaft, Entwicklung und Mission der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern entnehmen kann. Sie zeigt, dass Mission ein Schlüsselthema der Kirche bleiben sollte und muss. Denn Kirche ist von ihrem Grundverständnis her eine missionarische Kirche.