Der Raum zwischen Erwartung und Erfüllung

14
Inge Wollschläger, Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern
Inge Wollschläger, Mitglied der Redaktionskonferenz im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern, Hintergrundbild von Erich Kraus.

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger zum 2. Advent

Kennen Sie das auch? Gleich passiert etwas, aber eben noch nicht jetzt. Ein bisschen wie das leise Summen kurz bevor das Orchester einsetzt. Oder wie der Atem, der sich sammelt, bevor jemand eine Überraschung verkündet.

Genau so fühlt sich der zweite Advent für mich an:Wenn wir das zweite Licht anzünden ahnen wir, dass sich der Raum zwischen Erwartung und Erfüllung jetzt langsam füllt. Dieses wunderbare, manchmal mühsame Dazwischen, in dem wir weder ganz angekommen noch ganz aufgebrochen sind. Advent ist genau so eine Zeit: ein leuchtender Zwischenraum zwischen Verheißung und Erfüllung. 

Ich mag diese Zwischenzeiten. Auch wenn sie mir gleichzeitig und gelegentlich die Geduld rauben. Eine schwangere Bekannte sagte mir einmal: „Manchmal habe ich das Gefühl, da drinnen lässt sich jemand extra Zeit. Fast so, als wolle er mir zeigen, wie gut manches von alleine wächst und ich nichts dazu machen muss.“

Ich stelle mir manchmal vor, wie Maria ihre eigenen Zwischenzeiten erlebte. Diese neun Monate, in denen sie sicher oft fragte: „Wie soll das alles werden?“ Und wie eine innere Stimme vielleicht antwortete: „Hab keine Angst. In dir wächst etwas, das die Welt braucht.“

Der Raum zwischen Erwartung und Erfüllung ist kein leerer Raum. Er will gestaltet sein. Vielleicht tut uns das gerade in dieser winterlichen Nachrichtenlage gut. Zwischen Schlagzeilen, die uns herausfordern, blitzen zum Glück auch andere Stimmen auf. Da meldet ein kleines Start-up, dass es eine Methode gefunden hat, Lebensmittelabfälle in Energie umzuwandeln. Dort rettet eine Dorfgemeinschaft ihr altes Gemeindehaus und macht es zum Zufluchtsort für Kinder. Solche kleinen guten Nachrichten sind wie Kerzen in dieser Zwischenzeit. Sie erinnern uns daran, dass Gott vielleicht gerade im „Noch-nicht“ wirkt. In der Bibel ruft uns der Advent zu: „Macht die Wege bereit!“ Das heißt nicht, dass wir alles schon verstehen müssen. Aber wir können Licht anzünden, Türen öffnen, uns einander zuwenden – und damit den Zwischenraum füllen.

 Und wir können in unseren Zwischenzeiten Hoffnung nähren – geduldig, heiter, manchmal mit einem tiefen Seufzer, aber hoffentlich ganz oft mit einem Lächeln.