
Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Raimund Kirch, Mitglied im Herausgeberbeirat
Nicht golden, nicht schwarz oder weiß – violett, beziehungsweise lila ist die Farbe der Passionszeit. Und lila ist auch das Kunstprogramm der diesjährigen Kulturhauptstadt Chemnitz (das Sonntagsblatt hat darüber schon berichtet). Denn der Berliner Kunstkurator Alexander Ochs hat einen Skulpturenweg entwickelt, der 38 Orte in und um Chemnitz verbindet. Und weil es heute einfach nicht mehr ohne englische Begrifflichkeiten geht, hat Ochs ihn Purple Path genannt. Auch mit dem Hintergedanken, dass die liturgische Farbe Lila die Farbe des Advents und eben auch der Passion ist.
Deshalb wird es vom Aschermittwoch an bis zur Osternacht zu Altarverhüllungen kommen. Das ist laut Ulrike Lynn von der eigens für das Jahr 2025 gegründeten „Kulturkirche“ ein jahrhundertealter christlicher Brauch. Danach trennt ein so genanntes Fastentuch die Gemeinde optisch vom Altarraum oder verbirgt die bildlichen Darstellungen Jesu. In der 40-tägigen Passionszeit soll nach alter Tradition der Aspekt des Verzichtes somit auch visuell als ein Fasten der Augen praktiziert werden.
Auch in diesem Jahr greifen beteiligte Künstlerinnen und Künstler diese Tradition der Verhüllung von Altären wieder auf. Anstelle schwarzer oder violetter Fastentücher entwickeln sie eigene Formate und stellen individuelle Elemente in den Kontext des neuen Sehens. Nicht umsonst heißt das Motto der Kulturhauptstadt für 2025 – und auch diesmal geht es wieder mal nicht ohne englische Ausdrucksweise –„C (offensichtlich für Chemnitz) the unseen“. Also frei übersetzt: Erkenne das Ungesehene.
Ich finde dieses Motto nicht schlecht. Chemnitz ist nicht gerade der Renner im Tourismus; doch hat die Stadt viel mehr zu bieten als man denkt. Dies alles zu entdecken, fordern die Verantwortlichen und Kunstschaffenden auf.
Und deshalb werde ich am kommenden Sonntag, den 9. März, einen Gottesdienst um 11 Uhr in der Chemnitzer Jakobikirche besuchen. Dort wird die japanischen Künstlerin Young Jae Lee ihre Keramiken präsentieren. Auch Alexander Ochs, der in Bamberg geboren und aufgewachsen ist, wird anwesend sein und seine Gedanken äußern. Darauf bin ich gespannt. Ich werde testen, ob Chemnitz eine Reise wert ist oder nicht. Und darüber in einer der nächsten Ausgaben dieses Sonntagsblattes berichten.