Zur „Ruhe in den Kriegswirren“ verhelfen

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Pastor Alexander Gross aus Odessa und sein Regensburger Gastgeber Klaus Göldner in der Regensburg St. Johannes-Kirche kurz vor der Eröffnung der Aktion Fastenopfer für Osteuropa. Foto: Borée
Pastor Alexander Gross aus Odessa und sein Regensburger Gastgeber Klaus Göldner in der Regensburg St. Johannes-Kirche kurz vor der Eröffnung der Aktion Fastenopfer für Osteuropa. Foto: Borée

Evangelische Fastenaktion „Aufbau Ukraine … schon jetzt“ in Regensburg eröffnet

„Wir wollen nicht nur einen Platz schaffen, an dem Menschen leben können, sondern Gemeinschaft gründen.“ So umreißt Pastor und Synodalpräsident Alexander Gross von der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU) in Odessa sein Engagement. Er betreut nicht nur Evangelische in dieser Hafenstadt, sondern ist auch für die gesamte Region zuständig. 

Zur Eröffnung der Aktion Fastenopfer „Füreinander einstehen in Europa“ der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern war Pastor Gross Mitte März nach Regensburg gekommen. Denn die Spendensammlung steht in dieser Passionszeit unter dem Motto „Aufbau Ukraine … schon jetzt“. Dazu ergänzte auch Oberkirchenrat Stefan Blumtritt: „Der Krieg in der Ukraine betrifft uns alle.“ Und weiter: Fasten bedeute nicht nur Verzicht, sondern auch Solidarität. Dazu sollen die Spenden für die kirchlichen Hilfsprojekte in der Ukraine einen Beitrag leisten. 

In der Ortschaft Petrodolynske etwa, rund 30 Kilometer westlich von Odessa, sind sechs geflüchtete Familien und einige alleinstehende ältere Frauen aus der umkämpften Stadt Cherson und weiteren gefährdeten Orten untergekommen. Insgesamt sind es zehn Kinder, neun Frauen und fünf Männer. 

Die meisten Erwachsenen – zuvor „nominell orthodox“, wie Alexander Gross erklärt – haben inzwischen seinen Konfirmandenunterricht absolviert und gehören zur evangelischen Gemeinde. Viele der Frauen arbeiten nun dort in einem Kinderzentrum, in dem ein Dutzend Schülerinnen und Schüler mit „persönlichen Schwierigkeiten“ nach der Schule Betreuung findet sowie Hausaufgabenhilfe und Essen erhalten. Die Männer haben inzwischen zwei Häuser umgebaut und zwei weitere neu errichtet. 

Neben Petrodolynske stehen für den ukrainischen Pastor weitere sieben Dörfer in der ganzen Region im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Seiner Einschätzung nach gerät das Hinterland eher in Gefahr vergessen zu werden. In Odessa selbst greifen auch andere Hilfsmöglichkeiten – selbst bei den andauernden Zerstörungen in der Stadt. 

Gleichzeitig herrsche gerade im Hinterland viel Verzweiflung unter den Menschen sowie ein „Verlust des Glaubens an eine gerechte Zukunft“, meint Gross weiter. Die Angst vor Drohnen und Raketen halte die Menschen weiter in Atem. Doch in Orten wie Petrodolynske sollen die Geflüchteten „Ruhe in den Wirren des Krieges“ erfahren. 

Dabei arbeitet Pastor Gross zusammen mit seinen Gemeindemitgliedern noch an vielen weiteren intensiven Projekten: Sie verteilen in der gesamten Region Lebensmittelpakete an inzwischen 1.260 Rentner, die „unter der Armutsgrenze und ohne Familien leben“. Gerade die älteren Menschen harren vor Ort aus. Eine Sozialarbeiterin besucht jede Woche 60 Personen, um genau zu wissen, wie es ihnen geht. 

Eine Sozialküche bereitet zudem jede Woche heißes Essen für 30 Personen zu, die sich selbst nicht mehr helfen können. „17 von ihnen sind bereits verstorben“, so Pastor Gross, dafür hätte die Sozialküche 17 weitere in ihr Projekt aufnehmen können. 

Allein die Lebensmittel für die Pakete und die Essenszubereitung würden rund 50.000 Euro im Jahr kosten, hinzu kommen rund 25.000 Euro für Medikamente für ältere Menschen, die sich selbst keine mehr leisten können. 

Wenn diese Gelder für ein Jahr zustande kämen, würde es für ihn eine riesige Erleichterung bedeuten. Zwar helfen auch die Geschwisterkirchen in Tschechien und Ungarn, in der Slowakei und der Schweiz, um das Sozialprojekt am Leben zu erhalten, doch er persönlich sei monatlich intensiv damit beschäftigt, die Mittel für dieses „soziale Großprojekt“ zusammenzukratzen. 

Die Lebensmittel selbst werden inzwischen in der Ukraine mit einheimischen Produkten beschafft. Das sei deutlich billiger als Transporte aus dem Ausland. Und es würde die eigene Wirtschaft unterstützen. Die Produkte selbst ließen sich nach einigen Anfangschwierigkeiten zu Beginn des Krieges nun problemlos besorgen – selbst auf digitalem Weg.

Intensive geistliche Hilfe

Auch seelsorgerisch ist Pastor Gross täglich in der gesamten Region unterwegs: Er besucht praktisch jeden Abend einen Männer- oder Frauenabend. Er unterrichtet mehrere Konfirmandengruppen: Sie bestehen allerdings im Gegensatz zu Deutschland meist aus Erwachsenen, die den Gemeinden angehören wollen. Solch ein Kurs dauere gewöhnlich sieben bis acht Monate mit 27 Treffen. Fast alle, die daran teilgenommen haben, engagieren sich daraufhin am Gemeindeleben. Doch viele frühere Gemeindemitglieder seien ebenfalls bereits geflohen oder jedenfalls nicht mehr in der Region. 

Weiter hält Gross rund zehn Gottesdienste jeden Monat in der Region. Dabei kann er noch nicht einmal immer in Odessa sein, doch gäbe es da einen gut eingearbeiteten Lektor. 

Regensburg hilft seit 2008

Nicht zufällig geschah die Eröffnung der Aktion Fastenopfer für Osteuropa in diesem Jahr in Regensburg. Denn es ist das Partnerdekanat der evangelischen Kirche in der Ukraine. Schon seit dem Jahr 2008 kümmert sich Klaus Göldner, der langjährige Pfarrer an der St. Johannesgemeinde, um diese Partnerschaftsarbeit. 

Vor dem Krieg führten mehrere Reisen von Gemeindegruppen zu einem intensiven Austausch, der bis heute trägt, so Göldner. Die Kindertherapeutin Sabine Schönwälder etwa biete seit 2014 Fortbildungen vor allem für ukrainische Psychologen und Kunsttherapeuten an, die Traumatherapie vor Ort machen. Inzwischen finden diese Zusammenkünfte in Uschgorod an der slowakischen Grenze statt. Denn dieser Ort sei ziemlich sicher. Ein Förderverein der Gemeinde bringe jährlich rund 1.500 Euro für die Diakonie Odessa auf.

Bereits am Samstag, 15. März, wurde abends mit einem Kulturprogramm in St. Johannes die enge Verbindung zwischen den Kirchen in Deutschland und der Ukraine sichtbar gemacht. Dann predigte Alexander Gross im Sonntagsgottesdienst. Die Fastenaktion unterstützen neben der Bayerischen Landeskirche auch das Diakonische Werk Bayern, der Martin-Luther-Verein und das Gustav-Adolf-Werk. 

„Wir kümmern uns um das, was wir tun können“, so Alexander Gross abschließend. Sie sind gespannt auf das, „was Gott mit uns weiter vorhat“. Susanne Borée

Mehr unter https://www.bayern-evangelisch.de/fastenaktion. Spenden werden direkt von den örtlichen Pfarrämtern angenommen oder lassen sich an das Konto der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern überweisen: Ev. Bank eG, IBAN DE51 5206 0410 0001 0010 00, BIC GENODEF1EK1.