Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger über das Alter
Wer kennt das Bild nicht: Ein grantige alter Mensch, der – aufs Sofakissen aufgestützt – am Fenster klagend die Welt kritisiert. Aber ist das Alter zwangsläufig ein Weg in Bitterkeit und Rückzug? Die Psychoanalytikerin Verena Last widerspricht: Ob wir zu Griesgramen werden, hängt weniger vom Alter als von unserer inneren Haltung ab. Irgendwann in näherer Zukunft werde auch ich ein alter Mensch sein. Wie kann ich dem gegensteuern?
Studien beschreiben, dass viele alte Menschen eine steigende Lebenszufriedenheit haben, obwohl der Körper nachlässt. Verena Kast spricht deshalb vom „Wohlbefindensparadox“: Viele ältere Menschen empfinden mehr Zufriedenheit als in jungen Jahren. Man lernt, mit Verlusten umzugehen, Prioritäten zu setzen – und erkennt, was wirklich zählt. Wer dankbar auf das Leben blickt, wird milder, nicht mürrischer. Gelingen kann es mit den „vier L gegen den Alltagstrott“: Laufen, Lernen, Lachen, Lieben. Bewegung hält nicht nur den Körper, sondern auch den Geist wach. Wer neugierig bleibt, ein neues Buch liest oder sich für andere interessiert, bleibt innerlich lebendig. Humor ist ein weiterer Schlüssel – besonders, wenn wir über uns selbst lachen können. Selbstironie schützt vor Sturheit und öffnet das Herz.
Vor allem aber braucht es Gemeinschaft. Einsamkeit ist der größte Nährboden für Missmut. Wer eingebunden bleibt – in Familie, Freundeskreis oder Gemeinde –, hat weniger Anlass zum Grollen. In der Begegnung mit anderen erkennen wir: Wir werden gesehen. Wir gehören dazu.
Und warum nicht im Alter nochmal etwas Neues wagen? Viele entdecken jetzt Zeit und Mut, um lang Geplantes umzusetzen: Ein Instrument lernen, Reisen unternehmen, sich ehrenamtlich engagieren. So wird das Alter zur Phase des Aufbruchs – nicht des Rückzugs.
All das klingt gut. Wenn ich verstehe, dass innere Haltung, soziale Verbundenheit und geistige Offenheit entscheidend für ein zufriedenes Alter sind, kann ich heute schon anfangen, bewusst gegensteuern – und den Grundstein für ein erfülltes, freundliches Leben im Alter zu legen. Ein erfülltes, versöhntes Leben ist kein Zufall. Es ist Frucht bewusster Entscheidungen. Als Christen dürfen wir das Vertrauen haben: Jeder Tag ist ein Geschenk Gottes. Und wer in dieser Dankbarkeit lebt, wird schwerer ein Griesgram.