Neue Schutzkonzepte für den Glauben

37
Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über Annahme

Ihr sucht in den Schriften, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie sind’s, die von mir zeugen; aber ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben hättet. Ich nehme nicht Ehre von Menschen an; aber ich kenne euch, dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt. Ich bin gekommen in meines Vaters Namen, und ihr nehmt mich nicht an. (…) Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht? (…) Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?

Aus Johannes 5,39–47

Auf meinem Schreibtisch liegen die Bibel und das Schutzkonzept-Handbuch nebeneinander. Man kann die Bibel studieren und im Licht der Bibel Abschnitte unserer Schutzkonzepte entwerfen. Doch beides bleibt leblos, wenn wir uns vor Jesus und seiner Erwartung verschließen: „Ihr sucht in den Schriften, … aber ihr wollt nicht zu mir kommen.“ Jesus richtet diese Worte an religiöse Autoritäten – Menschen, die die Heiligen Texte kennen, aber das Eigentliche verfehlen: die Nähe zu ihm, dem Lebendigen. Eine schmerzhafte Wahrheit ist das: Man kann im Glauben irren, obwohl man meint, alles richtig zu machen. 

Auch die Missbrauchsstudie der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern hält uns solch eine unbequeme Wahrheit vor Augen: Sie zeigt erschütternd, wie Kirche versagt hat, zum Beispiel dadurch, dass Betroffene ignoriert wurden. Jesu Satz klingt wie ein Kommentar dazu: Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, aber die Ehre von Gott nicht sucht? Wo das Ansehen der Institution wichtiger war als der Schutz von Menschen, wurde der Auftrag Jesu verraten. Das ist schwer auszuhalten – wie auch sein Wort: „Ihr habt nicht die Liebe Gottes in euch.“ Doch genau das zeigt sich, wenn Frömmigkeit nicht von Verantwortung und Mitgefühl getragen ist. Gott im Herzen zu tragen heißt: Gottes Blick mitzutragen: seine Fürsorge, seine Parteinahme für die Verwundeten. Es braucht sichtbare Zeichen dieser Liebe, z.B. wie wir Strukturen gestalten.

Die Entwicklung von Schutzkonzepten ist daher für mich kein bloßer Verwaltungsvorgang, sondern gelebte Theologie. Wir tun es nicht, weil wir müssen, sondern weil wir glauben, dass jeder Mensch Ebenbild Gottes ist und Schutz braucht, nicht nur im Gebet, sondern durch offene Ohren oder konkrete Maßnahmen.

Es braucht einen Glauben, der nicht nur Schriften kennt oder Konzepte abhakt, sondern Jesu Auftrag ernst nimmt: Leben zu schützen. Darum geht es in der Schutzkonzeption: Grenzverletzungen verhindern, Achtsamkeit fördern, eine Kultur des Hinsehens schaffen – statt Schweigen, Misstrauen oder Machtfixierung.

Wer also nicht nur die Kritik Jesu, sondern auch seine Einladung zum Leben hört, wird Räume öffnen, in denen Kritik als Chance gilt, Vertrauen wächst und Christus selbst erkannt wird – im Gesicht derer, die verletzlich sind und auf Schutz hoffen.

Bettina-Maria Minth, Pfarrerin & Seelsorgerin, München

Gebet: Jesus, du rufst uns ins Leben.

Lass uns mutig Strukturen schaffen,

die schützen, heilen und Vertrauen wachsen lassen.

Sei du die Mitte unseres Handelns –

damit sichtbar wird, in wessen Auftrag wir handeln. Amen.